Besser lernen mit bunten Apps?
Lernapps auf Tablets könnten helfen, Schülerinnen und Schüler für MINT-Fächer zu begeistern. Forschende der FHNW haben untersucht, welche Rolle dabei die Gestaltung der Lernsoftware spielt.
Apps gibt es heute für beinahe jeden Zweck, auch für das Lernen in der Schule. Doch wie beeinflusst das Design von Lernapps, ob sich Kinder für technische und naturwissenschaftliche Fächer, sogenannte MINT-Fächer, interessieren? Und wie beeinflusst die Ästhetik der Lernprogramme den Lernerfolg? Diese Fragen untersuchte die Psychologin Alessia Ruf, wissenschaftliche Mitarbeiterin in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der FHNW. Das Team untersuchte, wie Schülerinnen und Schüler auf zwei unterschiedlich gestaltete Apps reagieren: die eine im Kinderlook bunt und spielerisch gestaltet, die andere in einem technisch anmutenden, nüchternen Schwarz-Weiss-Design.
In beiden Versionen der Tablet-App konnten die Schülerinnen und Schüler Informationen abrufen, wie sie auch entlang des Industriekulturpfads Limmat-Wasserschloss bei Baden an einzelnen Lernstationen zu finden sind. So lernten die Kinder zum Beispiel anhand des Kraftwerks Kappelerhof mehr über verschiedene Kraftwerkstypen. Danach lösten sie ein Quiz, das ebenfalls in der App enthalten war.
Mit solchen interaktiven Lernmöglichkeiten möchten die Forschenden bei Kindern das Interesse für MINT-Themen wecken, die sonst auf wenig Begeisterung stossen. «Lernapps auf Tablets bieten ganz neue Möglichkeiten, die man sonst nicht hat», erklärt Alessia Ruf. Deshalb möchte die Forscherin einen spielerischen Ansatz mit ernsthaftem Lernen verbinden.
Nüchtern streng versus kindlich bunt
Die zwei Versionen der App unterschieden sich grundlegend in der Gestaltung der Benutzeroberfläche. Die eine war bunt und verspielt mit runden Formen: das «Kinderdesign». Die andere hatte einen nüchtern und kantig gestalteten Schwarz-Weiss-Look. Mit diesen beiden Versionen liess Alessia Ruf gut 100 Erstklässlerinnen und Erstklässler einer Aargauer Bezirksschule Physikthemen erarbeiten. «Mir war etwas bange», erzählt Ruf. Sie habe nicht voraussehen können, ob die Dreizehnjährigen gut mitmachen würden. Die Forscherin liess die Schülerinnen und Schüler jedoch nicht der Limmat entlangwandern, sondern den Spaziergang nur virtuell im Schulzimmer machen, um die Studie besser kontrollieren zu können. Rufs Sorgen waren unbegründet: «Es ging erstaunlich gut in den Klassen», sagt sie. Nachdem die Kinder die App durchgearbeitet hatten, absolvierten sie einen Wissenstest und gaben zusätzlich in einem Fragebogen an, wie die App auf sie gewirkt hatte.
Kurzer Lernerfolg versus langfristiges Interesse
«Tatsächlich vermochte die bunte Version das Interesse der Kinder an den physikalischen Themen zu steigern», sagt Ruf. Dieses Resultat entsprach ihren Erwartungen. Überraschend jedoch war, dass der Lerneffekt bei der nüchtern gestalteten App tendenziell grösser war als bei der «Kinderversion». Mit der nüchternen Version konnten die Kinder physikalische Begriffe besser verstehen und erreichten im Wissenstest 50 Prozent mehr Punkte als mit der bunten Version. «Design kann offenbar auch ablenken», interpretiert Ruf die Resultate. Sie vermutet: «Die nüchterne Gestaltung erinnerte die Kinder an Schulbücher, und diese verbinden sie mit Lernen.» Das spielerische Design würden die Kinder offenbar eher mit Freizeit verbinden – sie seien dann nicht im «Lernmodus», sondern im «Entdeckermodus», so Ruf. Aber auch das könne ein Ziel einer Lernapp sein. Bei der Nutzung der bunten App vergessen die Kinder ihre Umgebung und sie werden zum Nachdenken angeregt, deshalb steigt ihr Interesse am Thema. So könne das bunte Design längerfristig doch zu mehr Lernerfolg führen. Indem es nämlich die Motivation und damit die Ausdauer steigere, sich mit den MINT-Inhalten auseinanderzusetzen. «Davon können neben der Schule zum Beispiel auch Museen und Ausstellungen profitieren», so Ruf.
Gemeinsam für mehr MINT-Nachwuchs
In den sogenannten MINT-Fächern Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik gibt es ein Nachwuchsproblem, das die FHNW mit einem ganzen Bündel von Projekten innerhalb der strategischen Initiative EduNaT bekämpfen will. Teil davon ist auch die Studie, die die Psychologin Alessia Ruf durchführte. Projektpartner sind die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW, die Hochschule für Kunst und Gestaltung FHNW und die Hochschule für Technik FHNW.