Dem Schimmel auf der Spur
Viele Wohnungen in Mitteleuropa sind von Schimmelbefall betroffen. Doch oft lassen sich die kleinen, schwarz-grünen Punkte an den Wänden oder in Fugen kaum erkennen. Drei FHNW-Studierende des Studiengangs Elektro- und Informationstechnik haben einen Sensor entwickelt, der rechtzeitig Alarm schlägt. Mit dieser innovativen Idee überzeugten sie am internationalen Forschungswettbewerb iCAN und erreichten den zweiten Rang. Ein Interview mit den Preisträgern Joel Becker, Fabian Gärtner und Daniel Richner.
Joel Becker: Ich hatte vor einiger Zeit Wasser im Keller. Wir hatten Sorge, dass sich Schimmel bilden könnte und daher war ich für dieses Thema sensibilisiert. Gemäss unseren Recherchen sind etwa ein Viertel bis ein Fünftel der Haushalte in Mitteleuropa von Schimmel betroffen. Das beeinträchtigt die Luftqualität in der Wohnung und kann sogar Atemwegserkrankungen verursachen. Dieses Problem hat uns motiviert. Der Schimmel soll gar nicht erst entstehen.
Fabian Gärtner: Schimmel bildet sich bei hoher Luftfeuchtigkeit und grossen Temperaturunterschieden zwischen den Wänden und der Innenraumluft. Unser Sensor besteht deshalb aus zwei Messkomponenten: Eine Seite erfasst die Lufttemperatur und die Feuchtigkeit, während die andere die Wandtemperatur mittels Infrarotstrahlung misst.
Daniel Richner: Mit den erhobenen Messdaten können wir die Feuchtigkeit in der Wand berechnen. Ist der Wert über lange Zeit zu hoch, schlägt unser Sensor Alarm. Man erhält dann eine Meldung auf dem Smartphone und kann Massnahmen ergreifen, zum Beispiel lüften.
D. R.: Wir alle drei haben bereits eine Lehre als Elektroniker absolviert und hatten daher ein gewisses Vorwissen. Aus dem Studium wussten wir sicher noch zu wenig für dieses Projekt. Jedoch konnten wir zum Beispiel das Layout der Hardware – also wie die elektronischen Bauteile auf der Platine effektiv verbunden sind – mit der Unterstützung unserer Dozierenden entwickeln und es für den Sensor umsetzen.
F. G.: Generell haben wir über das ganze Projekt von den Dozierenden der FHNW stets Unterstützung und Hilfe erhalten. Das war eine sehr positive Erfahrung. Wir rannten überall offene Türen ein, insbesondere nachdem wir uns entschlossen hatten, an dem internationalen Forschungswettbewerb iCAN teilzunehmen. iCAN richtet sich an Studierende, die technische Anwendungen zur Verbesserung gesellschaftlicher Probleme in den Bereichen Gesundheit, Umwelt oder Energie entwickeln wollen.
Sebastian Gaulocher, Studiengangleiter des Bachelors Elektro- und Informationstechnik, kennt solche Wettbewerbe aus eigener Erfahrung und findet sie sehr bereichernd.
So war es für Gaulocher selbstverständlich, das Dreierteam zu unterstützen, denn der Zeitaufwand für die Entwicklung des Schimmelsensors war enorm: Mehr als eintausend Stunden haben die drei Studierenden bis zum fertigen Sensor gebraucht.
J.B.: Jeder von uns hat in einem Teilbereich des Projekts die Hauptverantwortung übernommen. Fabian hatte beispielsweise die ganze Hardware und Mechanik unter sich, Daniel hat die Cloud-Applikation und Datenverarbeitung programmiert, und ich habe die Software für den Controller auf dem Sensor geschrieben. An der Messtechnik haben wir gemeinsam getüftelt.
F.G.: Wir haben das ganze Projekt praktisch komplett über Onlinemeetings koordiniert und bearbeitet. Eine der grössten Herausforderungen war der herrschende Chipmangel. Wir mussten bereits sehr früh die Bauteile bestellen und abschätzen, welche wir brauchen würden, um sie rechtzeitig zu erhalten.
J.B.: Die Schweizer Austragung in Neuchâtel war sehr angenehm. Die Jury hat unser Projekt nicht nur bewertet, sondern aktiv Tipps und Input gegeben, wie der Sensor verbessert werden kann. Das bringt uns weiter.
D.R.: Die Veranstaltenden hatten eine ehemalige Gewinnergruppe eingeladen, die heute eine eigene Firma besitzt. Das ist Ansporn für uns und zeigt, wie aus Wettbewerbsprojekten marktfähige Lösungen entstehen können.
«Der Wille zum Mehraufwand war bei unseren drei Studierenden sehr stark ausgeprägt», sagt Albert Zihlmann, Dozent für Embedded Systeme und Digitaltechnik und Betreuer der Projektgruppe. «Es war eine Wahnsinnsleistung, was sie alles gestemmt haben. Das hat sich dann bei der Schweizer Wettbewerbsausscheidung nochmals gezeigt. Die anderen Teilnehmenden waren wesentlich weiter im Studium fortgeschritten. Der Erfolg der Gruppe hat mich natürlich sehr gefreut!»
D.R.: Zuerst müssen wir unser Messkonzept prüfen. Derzeit können wir noch nicht abschätzen, ob der Sensor wirklich zuverlässige Resultate für alle Gebäudetypen liefert.
J.B.: Wir sammeln bereits weitere Messdaten, zum Beispiel in den eigenen Kellern. Unsere Elektronik funktioniert. Aber wir wissen noch nicht, wie solide die Messtechnik ist. Wenn wir die Daten haben, werden wir entscheiden, ob wir nochmals Zeit investieren wollen.
F.G.: Die Zusammenarbeit im Team hat super funktioniert und der Wettbewerb hat sehr viel Spass gemacht. Wir wollen wieder so etwas machen, dieses Mal jedoch interdisziplinär, zusammen mit Studierenden aus dem Maschinenbau und der Informatik. Daher haben wir uns auf die Suche nach einem neuen Wettbewerb gemacht.
«Wir versuchen jetzt, auch die nächsten Jahrgänge für solche Wettbewerbe zu motivieren», sagt Studiengangleiter Gaulocher, «denn wir wollen bei den Studierenden Freude an Forschungsprojekten wecken.» Das Team Becker, Gärtner und Richner braucht nicht mehr motiviert zu werden. Bei den drei Studierenden reift schon die nächste Idee.
D. R.: Wir machen bei der European Rover Challenge im Sommer in Polen mit. Jetzt sind wir ein Team aus vier Studierenden im Maschinenbau und drei Studierenden aus der Elektrotechnik. Unser Ziel ist es, einen Rover zu entwickeln, der verschiedene Aufgaben lösen kann. So soll er sich durch eine bestimmte Strecke navigieren lassen und Objekte vom Boden aufheben. Es wird zwar schwierig, unseren Erfolg am iCAN-Wettbewerb zu wiederholen, aber vielleicht greifen dann die folgenden Jahrgänge unsere Arbeit auf und entwickeln diese weiter.