Die Zahl älterer Teilnehmender an Weiterbildungen steigt stetig. Im Nach-Pensionierungs-Alter nehmen mehr Frauen als Männer an Weiterbildungen teil – dies zeigen unter anderem die Daten des Alters-Atlas. (Bild: vm)
19. Juni 2018

Ein neuer Blick auf die alternde Gesellschaft

Statistische Informationen sind meist eher trocken und schwer zugänglich. Anders der neue Alters-Atlas der FHNW: Mit luftigem Design und durchdacht verknüpften Informationen macht er eine Fülle von Daten zur alternden Gesellschaft für die breite Bevölkerung zugänglich.

Wie viele Senioren studieren in der Schweiz? Welchen Bildungsstand hat die ältere Generation? Wie viele der über 65-jährigen Schweizerinnen und Schweizer sind verheiratet, wie viele geschieden? Wer solche Informationen rasch im Internet recherchiert, findet sich oft in einem Wirrwarr aus endlosen Tabellen und unübersichtlichen Zahlenbergen wieder. Nun sind solche Fragen einfacher zu beantworten – dank des Alters-Atlas, den Expertinnen und Experten verschiedener Disziplinen der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW entwickelt haben.

«Bei einem Atlas denkt man an ein grosses, dickes Buch in der Bibliothek», sagt Projektleiterin Susanne Bleisch von der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW, «doch unser Alters-Atlas ist kein Kartenwerk im herkömmlichen Sinn.» Vielmehr ist auf einem Webportal eine Fülle von statistischen Informationen anschaulich aufbereitet. Dazu haben Bleisch und ihr Team Zahlen des Bundesamts für Statistik und Daten der kantonalen Statistikämter aus ihrem Korsett befreit. Zusätzlich haben sie Resultate aus anderen FHNW-Projekten zum Thema alternde Gesellschaft in die neue Website integriert.

Gut zwei Jahre dauerte die Entwicklung, seit Dezember 2017 ist das Werk online verfügbar. Darin lässt sich wie in einem Atlas stöbern, denn das Besondere an Susanne Bleischs Projekt ist, dass all die einzelnen Informationen miteinander verbunden sind. Dazu hat das Entwicklungsteam sogenannte Geschichtenlinien definiert. «Diese leiten die Nutzenden wie ein roter Faden durch die Themen», erklärt Bleisch. Die Spezialistin für Geovisualisierung und ihr Team haben sich in die Lage der Lesenden versetzt und gefragt: Was würde jemanden interessieren, der etwas zum Gesundheitszustand älterer Menschen wissen möchte? Vielleicht, wie viele Seniorinnen und Senioren noch arbeiten oder wie deren finanzielle Situation aussieht? So haben die Forschenden die verschiedenen Datensätze miteinander verknüpft, anstatt diese wie in vielen Statistiken üblich einfach isoliert anzubieten.

«Wer weiss schon, wie viele Personen drei Prozent der Einwohner des Kantons sind?»
Prof. Dr. Susanne Bleisch, Projektleiterin

Für unterschiedliche Ansprüche geeignet

Zunächst galt es zu entscheiden, welche Daten überhaupt in den Atlas aufgenommen werden sollten. «Es ist nicht schwierig, einfach irgendwelche Daten aus dem Internet zu nehmen», sagt Bleisch. Doch das Entwicklungsteam wollte den Nutzenden zu einer Fülle von Themen jeweils die relevanten Daten bereitstellen. Dazu mussten die Forschenden erst mal bestimmen, an wen sich der Alters-Atlas richten soll. Rasch zeigte sich, dass es unmöglich ist, ein Produkt herzustellen, das für alle funktioniert. Um dennoch möglichst viele Leute zu erreichen, wurde der Atlas so aufgebaut, dass die Nutzenden schrittweise tiefer in die Materie tauchen können. «Wem es zu viel wird, kann wieder an die Oberfläche», sagt Bleisch.

Heute enthält der Alters-Atlas insgesamt 161 Datensätze – oder Kärtchen, wie Bleisch sie nennt. Jedes ist mit mindestens zwei anderen verknüpft und enthält neben der Grafik einen erläuternden Text. «Wir erhalten viele positive Rückmeldungen auf die Vielfalt an Informationen und die moderne Darstellungsweise», berichtet die Projektleiterin.

Der Alters-Atlas ist übersichtlich gestaltet und bietet einen niedrigschwelligen Zugang zu einer Vielzahl an Informationen und Daten.

Neue Wege

Ihr sei es vor allem darum gegangen, einem möglichst breiten Publikum die Zahlen zur alternden Gesellschaft nahezubringen, sagt Susanne Bleisch. Die luftige Darstellungsweise der Grafiken soll die Hürde, um in das Informationsmeer einzutauchen, möglichst tief halten. Ausserdem setzt Bleisch auf absolute Zahlen, also etwa die Anzahl über Sechzigjähriger, die mit Drogen gehandelt haben – 2016 waren das 60 Personen. 

In der Statistik würden sonst oft Prozentwerte vorkommen, sagt sie. «Doch wer weiss schon, wie viele Personen drei Prozent der Einwohner des Kantons Basel-Landschaft sind?», fragt die Expertin. Mit den absoluten Zahlen will sie den Nutzenden eine fassbarere Information als einen abstrakten Prozentwert anbieten. Dieses Prinzip würde die Forscherin gerne ausbauen: So wäre etwa eine künftige Version des Alters-Atlas denkbar, in der man anfangs den Wohnort angeben kann, sodass die Anzahl der Personen in der Statistik dann jeweils ins Verhältnis zur Einwohnerzahl des eigenen Dorfs gesetzt werden.

Das Besondere am Alters-Atlas: Informationen sind miteinander verknüpft und leiten die Nutzenden so durch die verfügbaren Daten zu bestimmten Themenbereichen.

Der Alters-Atlas bietet eine neue Perspektive und wertvolle Erkenntnisse zur Lebenssituation älterer Menschen und könnte so künftig auch dazu dienen, eine zukunftsgerichtete Alterspolitik zu unterstützen. Der erste Schritt für seine Weiterentwicklung ist bereits getan: In einem schweizweiten Projekt, dem Nationalen Innovationsnetzwerk «Alter(n) in der Gesellschaft», werden die Daten und Themen ergänzt und stetig erweitert.

Strategische Initiative «Alternde Gesellschaft» der FHNW

Antworten auf komplexe Fragen entstehen häufig an den Schnittstellen von verschiedenen Fachgebieten. Daher führt die FHNW fachübergreifende Strategische Initiativen durch, um wichtige Herausforderungen unserer Gesellschaft anzupacken. Der Alters-Atlas entstand im Rahmen der Strategischen Initiative «Alternde Gesellschaft». Er beinhaltet zum einen Resultate aus anderen Projekten dieser Initiative und zum anderen Daten des Bundesamts für Statistik sowie der kantonalen Statistikämter in nutzerfreundlicher Darstellungsweise. Besonders im Fokus sind die Trägerkantone der FHNW: Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn.

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