27. Juni 2016

Industrie 4.0 für Bad und Küche

Die Hochschule für Technik der FHNW hat für den Armaturenhersteller Franke Water Systems KWC ein neues Verfahren für den Betrieb seiner Schleif- und Polieranlagen entwickelt. Damit kann der Armaturenhersteller seine Produkte noch effizienter schleifen und die Anlagenproduktivität steigern.

In Unterkulm werden seit über hundert Jahren Armaturen hergestellt. Die Firma Franke Water Systems KWC exportiert die Produkte heute in über fünfzig Länder. Für ihre hochwertigen Produkte heimst die Firma immer wieder Designpreise ein. Das Unternehmen steht indes auch vor der Herausforderung, dass die Ansprüche der Kundinnen und Kunden immer grösser werden. Gewünscht werden nicht einfach nur Wasserhähne. «In einer heutigen Küche, in der nicht einfach nur gekocht, sondern gelebt wird, ist eine Armatur ein Accessoire, das etwas darstellen soll», weiss Andreas Adam von KWC. Das Unternehmen möchte deshalb neue Armaturen schneller auf den Markt bringen.

Dazu muss die Produktion flexibler werden. Mithilfe der Vollautomation des Produktionsprozesses soll es möglich sein, die Seriengrösse einer Armatur auf ein einziges Exemplar zu senken. Denn: «Mit einer tieferen Seriengrösse können wir schneller reagieren, die Waren sind rascher wieder im Umlauf», sagt Ingenieur Andreas Adam, bei KWC zuständig für die Einführung neuer Produkte.

Der Wunsch nach Reduktion der Seriengrösse war für KWC Grund, sich an die Hochschule für Technik der FHNW zu wenden. Das Aargauer KMU hat schon mehrfach mit der FHNW zusammengearbeitet. 

«Mit einer tieferen Seriengrösse können wir schneller reagieren, die Waren sind rascher wieder im Umlauf.»
Andreas Adam, Einführung neue Produkte bei KWC

Forschungsergebnisse ermöglichen Zeiteinsparung

Im Rahmen eines Forschungsprojekts wurde der Schleifprozess inklusive Roboterkinematik modelliert, simuliert und validiert. Denn das Schleifen der Armaturen ist ein zentraler Schritt der Armaturenfertigung. Ursprünglich in Handarbeit von erfahrenen Facharbeiterinnen und -arbeitern erledigt, wird dieser Schritt unterdessen von Industrierobotern ausgeführt. Die Krux: Für jede Armatur müssen die Roboter neu programmiert werden, die Anlagen stehen in dieser Zeit still und können nicht produzieren. Auf Basis der Forschungsarbeit der Hochschule konnten diese Einrichtzeiten um etwa 30 Prozent verringert werden, «für uns eine enorme Einsparung», betont Andreas Adam.

Schaut man sich die Hightech-Armaturen von KWC heute an, kann man sich eines fast nicht vorstellen: Die Firma begann vor 140 Jahren als Fabrik für – Musikdosen!

Patentiertes Verfahren

Verantwortlich für das Projekt war Max Edelmann, heute wissenschaftlicher Assistent am Institut für Automation der FHNW, der im Rahmen der Forschungskooperation seine Masterarbeit machen konnte. Finanziell unterstützt wurde die Zusammenarbeit vom Bund, da das Forschungsprojekt als Projekt der Kommission für Technologie und Innovation (KTI) angenommen wurde. KTI-Projekte sind Förderinstrumente des Bundes und dienen dazu, Innovationsvorhaben zwischen Schweizer Forschungsstätten und KMUs mit volkswirtschaftlichem Potenzial zu subventionieren. Das neuartige Produktionsverfahren konnte KWC zudem patentieren lassen.

Zusammenarbeit zwischen FHNW und dem KMU geht weiter

Aufgrund der Daten, die beim KTI-Projekt sowie weiteren Forschungsprojekten der FHNW gesammelt wurden, hat sich ein weiteres, übergeordnetes Projekt ergeben. Ziel: Der gesamte Produktionsprozess der KWC-Armaturen soll digital gesteuert werden können – angefangen vom Giessen des Rohlings über das Schleifen und Polieren bis hin zur Veredelung der Oberfläche. Mit diesem Projekt, das voraussichtlich bis Sommer 2017 abgeschlossen sein wird, hält Industrie 4.0 in Unterkulm Einzug.

Gemäss Andreas Adam sollte man ein Teilergebnis auf dem Weg zu Industrie 4.0. in Unterkulm schon in naher Zukunft umsetzen können. Die Programmierung für den Schleif- und Polierprozess von ganz neu entwickelten Armaturen soll neu virtuell erfolgen. Derzeit muss KWC zu diesem Zweck die Anlagen über längere Zeit abstellen. Das wird anders: «Dank der virtuellen Programmierung erreichen wir eine massive Zeitersparnis von rund 80 Prozent, die für uns enorm einschneidend ist», sagt Andreas Adam. Für KWC ist dies ein sehr grosser Schritt in die Zukunft.

Weitere Auskünfte und Informationen:

Max Edelmann
Industrie 4.0 an der Hochschule für Technik FHNW

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