Wasser sprudelt in eine Wässerstelle der IWB-Trinkwasserproduktion in den «Langen Erlen». (Bild: Christian Flierl/iwb)
19. Juni 2018

Sauberes Wasser: die Reinigungskraft der Natur nutzen

Die Trinkwasserversorgung ist weltweit eine Herausforderung. In einem gross angelegten EU-Projekt arbeiten Forschende unter Leitung der Hochschule für Life Sciences FHNW daran, Verfahren zur natürlichen Reinigung von Wasser zu verbessern.

Schweizer Hahnenwasser stammt zum grössten Teil aus natürlichen Quellen oder aus Grundwasser. Doch dieses Wasser reicht nicht immer aus, um alle Menschen eines Gebietes zu versorgen – so zum Beispiel in Basel-Stadt. Deswegen füllt hier der Trinkwasserversorger iwb das Grundwasser mit Oberflächenwasser aus dem Rhein auf. Jedoch erfüllt das Flusswasser die Anforderungen an Trinkwasser nicht: Es muss gereinigt werden. Hierfür nutzt iwb die natürliche Reinigungskraft des Waldbodens und lässt im Waldgebiet ‹Lange Erlen› vorgefiltertes Rheinwasser in speziellen Wässerstellen versickern. Der Waldboden fungiert als natürlicher Filter und seine Kleinstlebewesen bauen Verunreinigungen im Wasser ab. «Dieser Prozess funktioniert sehr gut», sagt Thomas Wintgens, Dozent für Umwelt- und Wassertechnologien an der Hochschule für Life Sciences FHNW. «Aber es gibt Stoffe wie Röntgenkontrastmittel oder Arzneistoffe, welche die biologischen Prozesse im Boden allein nicht vollständig abbauen können.» Deswegen testen Wintgens und sein Team zusammen mit iwb ein technisches Verfahren, um solch problematische Stoffe aus dem Wasser zu entfernen, bevor es in den Waldboden sickert. 

Forschende entnehmen Proben aus Säulen, in denen sie die Wasserreinigung durch den Waldboden simulieren. (Bild: FHNW)

Die Erforschung dieses Verfahrens ist Teil eines grossen EU-Projektes namens AquaNES, an dem unter Leitung der FHNW Forschende und Unternehmen aus acht Ländern beteiligt sind. «Es geht darum, die Reinigungskapazität der Natur besser zu nutzen», erklärt Thomas Wintgens. Denn eine technische Wasserbehandlungsanlage verbraucht viele Ressourcen: Beton, Chemikalien und Energie. Doch die natürlichen Methoden alleine reichen nicht aus, denn das gereinigte Wasser muss zum Beispiel noch desinfiziert, also nachbehandelt werden.

Wie man solche zusätzlichen, technischen Verfahren mit natürlichen Reinigungsmethoden kombinieren kann, untersuchen die AquaNES-Partner an 13 verschiedenen Standorten in Europa, Israel und Indien.

Schadstoffe abbauen durch Oxidation

Einer dieser Standorte ist «Lange Erlen», wo Wintgens und sein Team mit der iwb Schadstoffe im Wasser mittels Oxidation abbauen. Dazu behandeln die Forschenden vorgefiltertes Rheinwasser mit UV-Strahlung und Wasserstoffperoxid. Wasserstoffperoxid ist ein Bleichmittel, das zum Beispiel Coiffeure beim Haarefärben einsetzen. Kommt es in Kontakt mit UV-Strahlen, entsteht radikaler Sauerstoff. Dieser knackt chemische Verbindungen und kann so zum Beispiel Moleküle wie Röntgenkontrastmittel zerstören.

In der Schnellfiltrationsanlage der iwb in den «Langen Erlen» stehen diese Zylinder aus Stahl. In ihnen geschieht die Oxidation des Wassers. (Bild: Robin Wünsch/FHNW)

Um die Wirksamkeit der Methode zu testen, leiten die Forschenden das so behandelte Wasser und unbehandeltes Wasser durch zwei meterhohe Säulen. Diese simulieren, was mit dem Wasser passiert, während es durch den Waldboden sickert. Die erste Säule enthält ein Gemisch aus Sand und Erde, welches aus den Wässerstellen stammt. Eine weitere Säule enthält ein Substrat, auf dem sich ein Biofilm gebildet hat. Dieser soll die Gemeinschaft an Mikroorganismen, die den Waldboden besiedeln, simulieren. Die Forschenden nehmen Proben zu verschiedenen Zeitpunkten vor, während und nach der Wasserbehandlung. Die Analysen dieser Proben mittels hochsensibler Labormethoden zeigen, dass die Oxidation tatsächlich einige Schadstoffe im Wasser deutlich reduzieren kann.

Analyse der Wasserproben im Labor (Bild: iwb)

Pflanzenkläranlagen für Abwasser

Neben sauberem Trinkwasser geht es im AquaNES-Projekt auch darum, Abwasser mit naturnahen Verfahren zu behandeln. Denn behandeltes Abwasser kann zur Bewässerung oder auch als Löschwasser genutzt werden. Das ist besonders wichtig in trockenen Regionen, beispielsweise in Südeuropa. Hier, auf der griechischen Insel Antiparos, untersuchen Forschende Pflanzenkläranlagen, sogenannte ‹constructed wetlands›. Dies sind künstlich angelegte Feuchtgebiete, die Abwasser reinigen. Die hier wachsenden Pflanzen entziehen dem schmutzigen Wasser Nährstoffe wie Stickstoff und Phosphor. Des Weiteren hält der Boden Schwermetalle und krankheitserregende Keime sowie organisches Material zurück. Damit das derart behandelte Wasser zur Wiederverwendung sicher ist, schalten die Forschenden ein Verfahren zur Desinfektion nach.

Desinfektion dank Sonnenenergie

Für die Desinfektion kommen normalerweise Chemikalien wie Natriumhypochlorid zum Einsatz, das zum Beispiel für den typischen Chlorgeruch im Schwimmbad verantwortlich ist. Eine alternative Methode untersucht ein Industriepartner des AquaNES-Projektes in Indien. Am Standort Haridwar, nördlich von Neu-Delhi wird Trinkwasser durch natürliche Uferfiltration des Ganges gewonnen. Um das filtrierte Wasser zu desinfizieren, wendet das Unternehmen ein Verfahren an, welches ohne Natriumhypochlorid auskommt. Stattdessen nutzt das Verfahren natürlicherweise im Wasser vorhandenes Salz, welches Chloridionen enthält. Diese Chloridionen dienen als Substrat für eine elektrolytische Reaktion, bei der unter Stromzufuhr das desinfizierende Chlor entsteht. Den nötigen Strom bezieht das Elektrolysemodul aus Sonnenenergie. Ziel des Projektes ist es, auf diese Art der Trinkwasseraufbereitung aufmerksam zu machen. So könnten vor allem abgelegene Gemeinden in Indien unabhängig vom Stromnetz und ohne den Einsatz reizender Chemikalien ihr Trinkwasser auf einfache Weise sicher machen. 

Eine Pflanzenkläranlage auf der griechischen Insel Antiparos (Bild: Patricia Stathatou/AquaNES)

«Die untersuchten Verfahren bald auf den Markt zu bringen, ist ein zentrales Anliegen des AquaNES-Projektes», sagt Wintgens. Auch deswegen gebe es Geld von der EU, die daran interessiert ist, dass neue Methoden nicht nur im Labor, sondern in der Realität funktionieren. Die in AquaNES demonstrierten Technologien sind auf einem vielversprechenden Weg. «Wenn Industriepartner wie die iwb in den ‹Langen Erlen› mit an Bord sind», so Wintgens, «können neue Behandlungsverfahren zur Einsatzreife gebracht werden.»

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