Sauberes Wasser in Uganda dank Schweizer Erfindung
Schulkinder in Uganda erhalten dank energieunabhängigen und robusten Wasserreinigungsanlagen Zugang zu sauberem Trinkwasser. Eine Forscherin der FHNW war massgeblich an der Entwicklung des Systems beteiligt.
Wasser ist die Grundlage für unser Leben – in vielen Entwicklungsländern aber Mangelware. Und wenn es dort Wasser gibt, ist es oft verschmutzt und macht krank. Die Folgen sind dramatisch, wie Daten der Weltgesundheitsorganisation WHO zeigen: Rund 2.2 Millionen Menschen sterben jährlich an den Folgen von Durchfallerkrankungen. Die meisten Opfer sind Kinder. Eine Lösung für dieses Problem kommt nun aus der Schweiz.
Dank sogenannten Wasserkiosken, die das Projekt «Gravit’eau» ermöglicht hat, können heute bereits um die 1700 Kinder in Uganda sorglos Wasser trinken. Und das zeigt seine Wirkung: «Früher litten 70 Prozent der Schulkinder an Durchfall. Seit dem Bau des Wasserkiosks sind es nur noch 30 Prozent», sagt Maryna Peter von der Hochschule für Life Sciences FHNW. Sie hat das Projekt zusammen mit Regula Meierhofer vom Wasserforschungsinstitut der ETH (Eawag) entwickelt und umgesetzt.
Die Wasserkioske reinigen selbst stark verschmutztes Wasser mit einem einfachen System. Das Herzstück der Anlagen ist ein grosser, schwarzer Kunststofftank. Darin stehen mehrere Metallrahmen, auf die eine poröse Plastikmembran gespannt ist. Wasser kann die nur 20 bis 40 Nanometer kleinen Poren der Membran durchdringen; für Schmutzpartikel, Mikroorganismen, Bakterien und sogar Viren gibt es jedoch kein Durchkommen. Das derart gereinigte Wasser läuft in einen weiteren Tank und kann dort bequem an einem Hahn gezapft werden. So macht ein Wasserkiosk täglich rund 6000 Liter Schmutzwasser wieder trinkbar. Drei solcher Kioske sind bereits in Betrieb. Sie stehen auf dem Gelände von Schulen und versorgen die Kinder, Bewohnerinnen und Bewohner der umliegenden Dörfer. «Schulkinder dürfen sich kostenlos bedienen», sagt Maryna Peter. «Alle anderen können für einen Franken pro Monat ihre Kanister füllen.»
Unabhängig und nachhaltig
Das Wasser stammt aus dem Victoriasee, dem grössten See Afrikas. Von dort bringt es eine Pumpe zunächst in ein Pumpenhaus und dann durch Wasserleitungen zu einer der Schulen, wo die eigentliche Anlage steht und der Reinigungsprozess stattfindet.
Der ganze Ablauf kommt fast ohne Strom aus. Die Schwerkraft reicht, um das Wasser langsam aber stetig durch die Membran fliessen zu lassen. Einzig die Pumpe, die das Wasser vom See zur Schule bringt, benötigt Energie. Diese wird von Solarzellen auf dem Dach des Pumpenhauses erzeugt. Somit sind die Wasserkioske auf keine externe Stromversorgung angewiesen. «Das macht sie nicht nur unabhängig, sondern auch sehr nachhaltig», sagt Maryna Peter. Zudem eignen sie sich dank der unkomplizierten Funktionsweise auch für abgelegene und ländliche Gebiete.
Und auch Wartung brauchen die Kioske praktisch keine. Hin und wieder müssen die Solarzellen von Staub befreit und die Wassertanks alle vier Wochen ausgespült werden. Chemische Reinigungsmittel sind überflüssig. Bezüglich der Lebensdauer schneiden die Wasserkioske ebenfalls sehr gut ab. Die Membrane beispielsweise müssen frühestens nach acht Jahren ersetzt werden. Das zeigt der Einsatz der Membrane in Kläranlagen auf der ganzen Welt.
Der Bau einer Anlage dauert rund zwei Monate, wobei die lokale Bevölkerung einen grossen Teil der Arbeit leistet. Zwar verlängert das den Aufbau, senkt dafür aber die Kosten. Doch das ist nicht alles: «Die Bereitschaft und das Interesse zu helfen, müssen in der Bevölkerung vorhanden sein», erklärt Maryna Peter. «Der Wasserkiosk ist ein Gemeinschaftsprojekt, alle sollen sich aktiv beteiligen.» Das funktioniert bis jetzt gut. «Die Leute aus den Dörfern sind sehr motiviert, mitzumachen.»
Damit es bei den Wasserkiosken nicht zu Korruption oder Missbrauch der Anlagen kommt, muss über die Erträge genau Buch geführt werden – jeder Liter Wasser und jeder Dollar wird in einem Heft erfasst. Diese Kontrollen haben die Projektleiterinnen mittlerweile schon an einen Partner vor Ort abgegeben: an die Wohltätigkeitsorganisation «Uganda Water School». «Ziel ist, die Verantwortung immer mehr an die Leute vor Ort abzugeben», sagt Maryna Peter. «Irgendwann soll es uns nicht mehr brauchen.» Darum bildet das Projektteam zusammen mit der Wohltätigkeitsorganisation auch für die wenigen Wartungsarbeiten Leute aus lokalen Fachhochschulen aus.
Preisgekröntes Engagement
Das Projekt will nicht nur sauberes Wasser zu den Menschen bringen, sondern die Bevölkerung auch über dessen Bedeutung aufklären. Deshalb wurde an den Schulen ein neues Fach eingeführt, bei dem sich alles um Wasser dreht. Dabei geht es nicht nur darum, wie wichtig sauberes Trinkwasser ist, sondern auch um persönliche Hygiene und Sauberkeit. Dank dieser zusätzlichen Massnahmen soll die Zahl der Durchfallerkrankungen noch weiter sinken.
Überzeugt hat das Projekt «Gravit’eau» auch die Jury des Schweizer Nachhaltigkeitspreises prix.eco. Sie verlieh dem Projekt der FHNW und Eawag Ende März 2017 den Hauptpreis für das herausragende Engagement für nachhaltige Wasseraufbereitung. Aktuell sind zwei weitere Anlagen im Bau, die bereits diesen Sommer in Betrieb gehen werden. Weitere Kioske sollen in den nächsten Jahren rund um den Victoriasee folgen. So wollen die beiden Forscherinnen möglichst viele Schulen mit Wasserkiosken ausrüsten und den Menschen den einfachen Zugang zu sauberem Wasser geben.
Entdeckung durch Zufall
Wasser mit porösen Membranen zu reinigen, ist an sich keine neue Idee. Die Technik kommt in Kläranlagen schon lange zum Einsatz. Bisher nahm man aber an, dass die Membran durch den Dreck nach einer gewissen Zeit verstopfen würde und daher regelmässig gereinigt und desinfiziert werden müsse. Das dachte auch Maryna Peter, als sie für ihre Dissertation an der Eawag in Dübendorf forschte. Doch bei Tests, in denen sie herausfinden wollte, wie lange es dauert, bis die Membran vollständig verstopft, floss das Wasser auch nach zwei Monaten noch immer. Also begann die Forscherin zu untersuchen, woran das lag und fand die Lösung erstaunlicherweise genau dort, wo man immer das Problem vermutete: in der Schicht von Dreck und Mikroorganismen, die sich auf den Membranen ansammelt, dem sogenannten Biofilm. Würde dieser Biofilm kein Wasser mehr durchlassen, wäre das auch das Ende vieler Mikroorganismen –, denn mit dem Wasser kommen auch für die Organismen lebensnotwendige Nährstoffe. Deshalb gruppieren sich die Kleinstlebewesen so, dass im Biofilm noch Wege offen bleiben, durch die das Wasser durchsickern kann.