Mit dem elektrisch betriebenen smargo lassen sich Waren klimafreundlich transportieren, ohne auf ein eigenes Fahrzeug angewiesen zu sein. Foto: Mobilitätsakademie des TCS
14. November 2014

smargo – ein geteilter Minitransporter für saubere Stadtluft

Staus, verstopfte Strassen und übervolle Parkplätze – so sieht der Alltag in vielen Schweizer Städten aus. Mit dem gemeinsam genutzten, elektrisch betriebenen Minitransporter smargo will die Mobilitätsakademie AG des TCS den innerstädtischen Verkehr entlasten und gleichzeitig die Umwelt schonen. Privatpersonen nutzen den elektrischen Flitzer schon rege. Warum das Gefährt auch in der urbanen Logistik immer attraktiver wird, das haben Forschende der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW herausgefunden. Ihre Erkenntnisse überraschen.

Auf den Strassen von sechs Schweizer Städten fährt seit einiger Zeit ein herziges Gefährt völlig CO2-neutral. Es ist so kompakt wie ein Gabelstapler und heisst «smargo», kurz für «Shared Micro Cargo». Ins Deutsche würde man es wohl mit «Gemeinsam genutzter Mikrotransport» übersetzen, doch smargo ist mehr als nur ein elektrobetriebenes kleines Nutzfahrzeug – es ist ein Gesamtkonzept. Die Idee dahinter: Waren auf kurzen Strecken klimafreundlich durch die Stadt transportieren, ohne auf grosse Transporter oder eigene Fahrzeuge angewiesen zu sein. Für einen Fünfliber pro Stunde können Interessierte den wendigen Transporter mieten, vorausgesetzt, sie haben einen Führerausweis Kategorie B für PKW. Interessierte registrieren sich über die App carvelo, laden ihren Führerausweis hoch und können nach einer Bestätigung und einmaligen Buchungsgebühr direkt loslegen. Das Besondere: Lokale «Hosts», oft selbst Gewerbetreibende, stellen Parkplätze mit Stromanschluss zur Verfügung, kümmern sich um das Aufladen und übergeben die Schlüssel. Im Gegenzug dürfen sie die smargos während 25 Stunden pro Monat kostenfrei nutzen.

Ein Mann hebt eine Holzkiste mit Äpfeln aus dem smargo.
Der Smargo kann von mehreren Seiten be- und entladen werden. Und auch das Fahren des Elektro-Flitzers macht noch Spass. Foto: Mobilitätsakademie des TCS

Nachhaltiger Fahrspass

Immer mehr Kleinunternehmen entdecken das kompakte Gefährt für sich: vom Kaffeeröster über Catering-Services bis zum Festivalorganisator. «Es ist erstaunlich, wie viel Begeisterung smargo auslöst», sagt Nina Tobler von der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. Die Professorin für Wirtschaftspsychologie hat gemeinsam mit ihrem Team in einer Studie erforscht, was Kleingewerbetreibende motiviert, den Elektro-Flitzer zu nutzen, und welche Anforderungen sie an das Fahrzeug-Konzept stellen. «Was mich wirklich beeindruckt hat, ist der emotionale Faktor», erzählt Tobler. «Die Menschen haben einfach Spass beim Fahren, und die Leute lächeln, wenn das herzige Gefährt an ihnen vorbeifährt. Das ist ein ganz anderes Gefühl, als wenn jemand mit einem normalen Transporter durch die Gassen rollt.» Dieses positive Fahrgefühl wurde von fast allen Gewerbetreibenden erwähnt und überraschte selbst skeptische Erstnutzende, wie Tobler herausfand.

«Der emotionale Faktor spielt eine grosse Rolle.»
Nina Tobler, Professorin für Wirtschaftspsychologie an der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW

Forschung für die Zukunft

In ihrer von Innosuisse geförderten Studie, die im Rahmen eines Projekts mit der Swiss Alliance for Collaborative Mobility durchgeführt wurde, befragten die Forschenden drei verschiedene Gruppen. Dazu gehörten Gewerbetreibende, die smargo bereits nutzen, sowie Fahrer*innen von carvelo, den ebenfalls von der Mobilitätsakademie angebotenen elektrischen Cargo-Velos. Die dritte Gruppe kannte smargo noch nicht. Durch die Befragung der verschiedenen Zielgruppen bekamen die Forschenden wertvolle Einblicke in die Gründe, warum Gewerbetreibende smargo nutzen oder was sie davon abhält. Dabei waren die smargo-Nutzenden sehr begeistert, besonders was die einfache Handhabung und die Wendigkeit auch in engen Gassen angeht.

«Für viele junge und urbane Unternehmen ist Nachhaltigkeit stark in ihren Werten verankert.»

Im Vordergrund stand jedoch etwas anderes: «Wir haben bei allen Befragten eine grosse Begeisterung für das smargo-Konzept gespürt, die vor allem auf den Aspekt der Umweltfreundlichkeit sowie den sozialen Gedanken des Teilens zurückzuführen ist», sagt Tobler. «Für viele junge und urbane Unternehmen ist die Nachhaltigkeit stark in ihren Werten verankert. Daher wollen sie Dienstleistungen und Produkte nutzen, die zu ihren Überzeugungen passen. Sie sind häufig sehr intrinsisch motiviert.»

Nina Tobler von der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW hat gemeinsam mit ihrem Team untersucht, was Kleingewerbetreibende motiviert, smargo zu nutzen, und welche Anforderungen sie an das Fahrzeug-Konzept stellen. Foto: FNHW

Weniger Stress für Gewerbetreibende

Die Studie zeigte zudem, dass smargo-Nutzende die Kostentransparenz zu schätzen wissen: Abgerechnet wird nach Zeit, unabhängig von der gefahrenen Strecke. Dies ist eine attraktive Option, gerade für Unternehmen, die kein eigenes Fahrzeug besitzen wollen, weil sie dieses zu wenig nutzen. Doch die Vorteile von smargo gehen den Studienergebnissen zufolge über den reinen Transportaspekt hinaus. «Die Ladefläche ist auf Brusthöhe und kann von drei Seiten geöffnet werden», erklärt Tobler, «so kann die Ware unabhängig von der Parkposition und ohne Bücken ein- und ausgeladen werden.»

Ideen für mehr Flexibilität

«Natürlich gibt es auch Verbesserungsvorschläge», sagt Tobler. «Es lohnt sich bestimmt, günstige oder kostenlose Probefahrten anzubieten, um mögliche Skeptiker zu überzeugen.» Zudem ist insbesondere für Gewerbetreibende eine verlässliche Buchung und die gute Verfügbarkeit der Fahrzeuge wichtig. Tobler zufolge wäre es daher sinnvoll, eine separate Buchungsplattform für Gewerbetreibende anzubieten, auf der sie zum Beispiel langfristig wiederkehrende Buchungen vornehmen können. Ebenfalls denkbar wären Abo-Modelle mit festen Buchungszeiten für Unternehmen, die smargo regelmässig nutzen wollen.

smargo als Modell der Zukunft

Angeboten wird smargo derzeit in den Städten Basel, Bern, Lausanne, Luzern, Schaffhausen und Zürich – weitere sollen folgen. Die Forscherin hofft, dass der Elektro-Flitzer zum Teilen bald in jeder Stadt verfügbar ist und zu einem alltäglichen Anblick im Stadtbild wird – ähnlich wie die beliebten Carsharing-Angebote von Mobility.

«Zero Emission» – eines von drei Zukunftsfeldern der FHNW

Im Rahmen ihrer Strategie FHNW 2035 wird die FHNW in den drei Zukunftsfeldern Zero Emission, New Work und Future Health ihre multidisziplinären Kompetenzen in den kommenden Jahren bündeln und ausbauen. Damit möchte sie in den gesellschaftlich relevanten Themenfeldern Arbeit, Gesundheit und Umwelt/Nachhaltigkeit neue Impulse für Lösungen zu aktuellen Problemfeldern der Wirtschaft und Gesellschaft geben.

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