Wie Kreative unternehmerisch fit werden
Die Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW hat sich zum Ziel gesetzt, im Bereich Kunst, Design und Musik Unternehmensentwicklungen zu fördern. Dazu hat die Hochschule den Wettbewerb «Swiss Cultural Challenge» ausgeschrieben. Dieser ist Teil der Strategischen Initiative Unternehmertum der FHNW.
«Unser Ziel ist es, Absolvierende so zu unterstützen, dass sie erfolgreich eine Laufbahn bestreiten können, und sie zu motivieren, sich mit den Wertschöpfungszusammenhängen ihres Schaffens auseinanderzusetzen.» Dies sagt Projektleiterin Jana Eske. Sie und Claire Reymond, Junior Researcher an der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW, haben den Wettbewerb konzipiert und sind für die inhaltliche Begl<eitung zuständig. Die beiden Forscherinnen befassen sich bereits länger damit, wie man Kreative besser unterstützen kann. So haben sie unter anderem zwei Forschungsprojekte durchgeführt, in deren Rahmen sie junge Unternehmerinnen und Unternehmer zu ihrem Erfolg befragt haben.
Der Wettbewerb Swiss Cultural Challenge bietet jungen Kreativen einen Experimentierraum für die Entwicklung sowie Umsetzung zukunftsweisender künstlerisch-gestalterischer Ideen. Konkret bedeutet das, Hilfestellung bei der Gründung eines eigenen tragfähigen Unternehmens zu erhalten oder die Weichen hierfür zu stellen. Angesprochen wurden schweizweit Absolvierende aus den Bereichen Design, Kunst und Medien/Musik. Zehn Teams wurden von einer Fachjury ausgewählt. Mentorinnen und Mentoren begleiten sie in der Ausarbeitung tragfähiger unternehmerischer Konzepte bis im März 2017. Dann findet die Preisverleihung statt, in der die drei besten Konzepte mit jeweils 10’000 Franken ausgezeichnet werden. Die Preisgelder, finanziert von der «Christoph Merian Stiftung» in Basel, dienen dem Zweck der Unternehmensgründung.
Projekte sollen gesellschaftlich relevant sein
«Bei den Projekten geht es nicht einfach nur um den Profit», sagt Claire Reymond, «sondern die ästhetische Entwicklung wird mit wirtschaftlichen Faktoren zusammen gedacht. Gleichzeitig haben sie gesellschaftliche Relevanz.» Diese Relevanz drückt sich beispielsweise im Einsatz ressourcenschonender Materialen, dem freien Zugang von Wissen oder fairen Finanzierungsmodellen aus.
Engmaschige Begleitstruktur
Zentral beim Wettbewerb «Swiss Cultural Challenge»: Die Teilnehmenden werden intensiv begleitet, tauschen sich aus und erhalten Zugang zu einem professionellen Netzwerk. In Workshops geht es um Themen wie Patentrecht oder Unternehmensmodelle. Dabei wird auf Interdisziplinarität geachtet: Neben Dozierenden der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW referiert Arie Verkuil, Professor der Hochschule für Wirtschaft FHNW, über mögliche Unternehmensformen. Begleitet werden die Teilnehmenden zudem von Mentorinnen und Mentoren, die in der Kreativwirtschaft erfolgreich tätig sind. Sie stehen beispielhaft dafür, was vonnöten ist, sich unternehmerisch zu behaupten. Dies zeigen die Porträts von Designerin Rebecca Uth, Audiodesigner Daniel Dettwiler und Agenturgründer Darjan Hil.
Swiss Cultural Challenge
Daniel Dettwiler, Absolvent der Musikhochschulen FHNW in Basel, wusste schon im Studium, dass er einmal im absoluten High-End-Bereich arbeiten möchte. Diesem Ziel ordnete er als Student alles unter. Heute hat er eines der besten Studios und sitzt bei nationalen und internationalen Produktionen an den Reglern – für Leute wie David Klein, Herbert Grönemeyer, Jasmin Tabatabai.
Daniel Dettwiler hatte früh bemerkt, dass er über ein ausserordentliches Hörvermögen verfügt, «ein besseres als viele Musiker», sagt er. Schon als Jugendlicher analysierte er Filmmusiken, schrieb die Stimmen der einzelnen Instrumente heraus. Mit 17 Jahren produzierte er erstmals eine Band. 1996 begann er, in Basel Audiodesign zu studieren. «Schon damals war mir klar, dass ich auf dem höchsten Niveau tätig sein möchte», blickt er zurück. Er begann daher schon als Student, wie ein Profi zu arbeiten, richtete sich in einem Zimmer seiner Studentenbude ein Topstudio ein.
Streben nach Exzellenz
Nach dem Studium die Gründung der Firma «Idee und Klang»: «Ich habe das Studio 2002 mit der Absicht gegründet, im absolut obersten High-End-Bereich erfolgreiches Mastering und Mixing durchzuführen.» Aufnahmen macht er in seinem Studio kaum, sondern wählt dazu Räume, die für den jeweiligen Musikstil am besten sind: die Tonhalle Zürich, das Volkshaus Basel oder den Aufnahmesaal im Jazzcampus Basel, dessen Akustik er mitentwickelt hat.
Keine Kompromisse
Sein Studio stattete er mit den besten Geräten und optimaler Raumakustik aus, «das ist das Ein und Alles», betont er. Einzigartig sind zum Beispiel seine Lautsprecher, Einzelanfertigungen, die es nicht zu kaufen gibt. «Viele Studios begnügen sich mit Lautsprechern für 10’000 Franken», erzählt er, «meine kosten 100’000. Als ich sie gehört hatte, wusste ich, die müssen bei mir ins Studio. Ihr Klang ist perfekt. Ich habe dafür einen Kredit aufgenommen. Da bin ich kompromisslos.»
Das zeigt: Dettwiler möchte nur das Beste für die Künstlerinnen und Künstler, für die er arbeitet. «Wenn eine CD nicht gut klingt, hat sie auch keinen Erfolg», ist er überzeugt. «Der Laie merkt nicht, wenn der Klang einer Produktion schlecht ist, sondern denkt, dass der Musiker nicht gut spielt.» Was ihn antreibt, ist der Drang nach Perfektion: «Es braucht den Biss und das innere Wollen, das maximale Niveau zu erreichen.»
Mit seinem Biss hat der heute 42-jährige Familienvater erreicht, was er sich als Student vorgenommen hatte: Er mischt in der Topliga mit. Er war Tonmeister bei den Aufnahmen für die preisgekrönte Filmmusik zur neuen «Heidi»-Verfilmung und für deutsche Kino-Musikproduktionen wie «Die weisse Massai» oder «Die Abenteuer des Huck Finn». Er hat mit dem Musiker David Klein das Album «My Marilyn» gemischt, das weltweit Beachtung fand, hat alle Jingles für Radio SRF 2 und 3 komponiert und produziert. Die international erfolgreiche Schweizer Band Kolsimcha nahm er in den legendären Abbey-Road-Studios in London auf – zusammen mit dem renommierten London Symphony Orchestra. Und längst schon gibt er sein Wissen auch weiter: als Dozent an der Hochschule für Musik der FHNW in Basel und an der Zürcher Hochschule der Künste ZHdK.
ideeundklang.com
Rebecca Uth, Absolventin der Kopenhagen Designschule, ist heute ihre eigene Chefin. Die Produktdesignerin gründete 2013 mit einem Geschäftspartner die Firma Ro. Unterdessen sind sieben Leute sowie mehrere Designerinnen und Designer als Freelancer für Ro tätig. Ihre Produkte findet man nicht nur in Dänemark, sondern auch in weiteren europäischen Ländern und in Australien.
Es war ein langer Weg von der Designschule in Kopenhagen, wo Rebecca Uth 2000 ihr Studium in Industrial Design abgeschlossen hat, bis zur Gründung von Ro. Unmittelbar nach der Schule habe sie feststellen müssen: «In der wirklichen Welt funktioniert es anders, als ich es in der Schule gelernt habe.» Sie hatte damals ein kleines Atelier, reiste an Messen, doch etablieren konnte sie sich nicht. «Ich merkte, dass ich keinen Schimmer hatte von den Produktionsweisen der Fabriken.»
2005 ging sie nach Vietnam, wo ihr Mann einen Job hatte. Rebecca Uth kam in Kontakt mit einem schwedischen Designer, der im Begriff war, eine Firma aufzubauen. Sie half ihm dabei. «Wir sind auf zwölf Quadratmetern gestartet. Mittlerweile hat die Firma zwei grosse Shops in Hanoi und Saigon», sagt sie, «ich lernte, wie man wirtschaftlich und umweltfreundlich produziert und welche Möglichkeiten Fabriken bieten.» Nach dreieinhalb Jahren ging das Paar zurück nach Dänemark, Rebecca Uth kam zu Georg Jensen, einer renommierten dänischen Firma für Designprodukte. Sie begann als Produktentwicklerin und arbeitete sich rasch zur Designdirektorin des Unternehmens empor.
Der kreative Prozess als Treiber der Arbeit
Trotz ihrer Position als Designdirektorin konnte sie viele Entscheidungen nicht selber treffen. Die Leute vom Verkauf seien manchmal mit erfolgreichen Produkten anderer Anbieter gekommen. «Sie fanden, wir sollten etwas Ähnliches entwerfen», erzählt die 47-Jährige. «So stupid, es ist doch sinnvoller, wenn wir etwas Eigenes erschaffen.» Sie habe sich nicht vom Markt bestimmen lassen wollen. Sondern: «Ich möchte, dass der kreative Prozess der Treiber meiner Arbeit ist.»
Diese Erkenntnis war die Initialzündung zur Gründung von Ro. Ro steht für Ruhe. Im Gegensatz zu ihrer ersten Selbstständigkeit nach der Schule versuchte sie es dieses Mal nicht allein. «Ich habe gelernt, dass ich nicht alles selber in die Hand nehmen muss, sondern gewisse Dinge jene tun zu lassen, die es können», sagt die Dänin, «zudem macht es mehr Spass, mit Leuten aus anderen Feldern zu arbeiten und mich inspirieren zu lassen.»
Wissen, was und warum man es will
Als Mentorin des Wettbewerbs «Swiss Cultural Challenge» möchte sie die Teilnehmenden herausfordern. «Sie müssen wissen, was sie erreichen wollen», sagt sie, «und was sie wirklich antreibt. Dieses Wissen wird ihnen helfen, wenn es einmal nicht so läuft.»
rocollection.dk
Eine Geschäftsstrategie wird nicht langatmig formuliert, sondern mit Bildern und Symbolen auf einem Plakat dargestellt. Die Produktpalette der Lonza wird auf einem fünf Meter langen Plakat gezeigt, für die Schweizer Post wurde eine Microsite über die Bedeutung von E-Commerce kreiert. Beispiele aus dem Portfolio der jungen Agentur YAAY, die sich auf die Visualisierung komplexer Informationen spezialisiert hat.
Visuelles Management nennt es Darjan Hil, 34, YAAY-Mitgründer, was seine Agentur anbietet. Das Ziel: mit Visualisierungen Informationen besser fassbar machen und so die innerbetriebliche Kommunikation vereinfachen. Darauf gekommen ist er vor Jahren in Wien als Werkstudent bei IBM: Als Assistent eines Projektleiters musste er Sitzungsprotokolle verfassen. Dabei fiel ihm auf: «Beim Erklären von komplexen Sachverhalten haben viele zum Stift gegriffen und etwas auf das Flipchart gezeichnet». Hil begann nachzuforschen, was an visuellen Kommunikationsmitteln fürs Projektmanagement existiert. Er fand nicht viel.
Lernen, wie Designerinnen und Designer denken
Nach Stationen als Unternehmensberater und einer Ausbildung zum Coach kam Hil 2009 an die Hochschule für Gestaltung und Kunst nach Basel. Ziel: verstehen lernen, wie Designerinnen und Designer denken. «Ich studierte zwei Jahre visuelle Kommunikation und Bildforschung an der HGK und erkannte, welch wertvolles Werkzeug das Visualisieren von Informationen ist.» In seinem letzten Semester versuchte er als Selbstständiger, Projekte im Bereich Informationsvisualisierung zu akquirieren. Mitstudierende begannen ebenfalls, sich mit dem Thema zu befassen. Vier Leute aus verschiedenen Disziplinen: Neben Hil, der einen Master in Wirtschaftsinformatik hat, waren es die Grafikerin Nicole Lachenmeier, die Illustratorin Indre Grumbinaite und der Videodesigner Safak Korkut. Am Anfang funktionierten sie als Kollektiv, hatten alle noch einen Brotjob, YAAY wurde erst 2013 als GmbH gegründet.
Mit Klinkenputzen zum Erfolg
«Mit unserer Geschäftsidee haben wir uns auf einen Markt begeben, der noch nicht existierte. Eine super Nische», sagt Darjan Hil. Nur: Wie überzeugt man Firmen von einer neuen Dienstleistung? «Es ist sehr erklärungsintensiv», gibt Hil zu, «wenn ich mit jemandem sprach, bat ich um die Namen von drei Leuten, die ebenfalls interessiert sein könnten. Bei denen ging ich vorbei, stellte unsere Arbeit vor.» Auf diese Weise kam YAAY in den ersten fünf Jahren zu fast allen Aufträgen. «Es war pure Disziplin», blickt er zurück, «aber wir sind überzeugt von unserer Arbeit und machen sie gerne.» Nicht das Geld stehe im Vordergrund. «Uns ist es ein Anliegen, dass die Leute besser kommunizieren und komplexe Informationen besser verstehen.»
Dank Fehlern erfahrener geworden
Und: «Unser Lernwille hat uns immer begleitet», blickt er zurück. «Wir haben viele Fehler gemacht, haben sie aber immer reflektiert. Und wir haben immer überlegt, welche Fortschritte wir gemacht haben. So hat uns jedes Projekt weitergebracht. YAAY», sagt Hil, «sieht sich als lernende Organisation.» Dieses Denken möchte er auch als Mentor des Wettbewerbs «Swiss Cultural Challenge» weitergeben: «Die Teilnehmenden sollen für sich Parameter setzen können, damit sie wissen, wann sie erfolgreich sind und dass sie etwas gelernt haben. Das sollen sie ständig überprüfen.»
Bronze für YAAY in London
Mitte November hat YAAY in London Bronze am internationalen «Information is Beautiful»-Award gewonnen. Mit auf dem Podest: Das Milliardenunternehmen IBM und Deloitte.