Zuverlässiger heizen mit der Solarthermieanlage
Warm duschen mit Sonnenenergie: Wer möchte das nicht? Doch wenn bei thermischen Solaranlagen unbemerkt Störungen auftreten, funktioniert die Wärmebereitung oft über Monate nicht optimal. Ein kostengünstiges Überwachungssystem, das bei Fehlfunktionen Alarm schlägt, schafft Abhilfe. Forschende der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW entwickeln es weiter und setzen dabei auf Künstliche Intelligenz.
Der Stopp der russischen Erdgaslieferungen an Europa treibt den Gaspreis auch in der Schweiz in die Höhe und lässt die Menschen besorgt auf die kommenden Monate schauen. Wer eine thermische Solaranlage nutzen kann, hat hier einen Vorteil. Sie liefert warmes Wasser für den täglichen Gebrauch oder zum Heizen. Zudem helfen solche Solarthermieanlagen, den Ausstoss des Treibhausgases Kohlendioxid zu verringern, und bringen somit den Klimaschutz voran.
Unbemerkte Fehler führen zum Stillstand
Doch in der Vergangenheit war die Freude an den Solarthermieanlagen nicht ungetrübt. So entdeckte die Energie Zukunft Schweiz AG bei Vor-Ort-Kontrollen zwischen 2012 und 2018, dass 17 Prozent nicht einwandfrei funktionierten und teilweise sogar schon länger ausser Betrieb waren. «Solche Funktionsstörungen bleiben häufig unbemerkt», erklärt der Datenwissenschaftler Joachim Hofmann von der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW, «denn die fossil befeuerten Heizgeräte übernehmen bei einem Ausfall der Solarthermieanlage oft automatisch deren Funktion.» Anders als ihre Photovoltaik-Pendants sind Solarthermieanlagen nicht standardmässig mit einem System ausgerüstet, das bei Pannen die Betreiberin oder den Betreiber der Anlage automatisch benachrichtigt. Erst seit Kurzem bietet das Unternehmen Energie Zukunft Schweiz ein solches Fernüberwachungssystem unter dem Namen LORALARM an. «Energie Zukunft Schweiz will LORALARM aber noch vereinfachen und noch effizienter gestalten, ohne dass es an Zuverlässigkeit einbüsst. Daher wandte sich das Unternehmen an uns», sagt Hofmann. Als Datenwissenschaftler am FHNW Institut für Nachhaltigkeit und Energie am Bau ist er genau der Richtige, um die Präzision der Fehlerdiagnose weiter zu verbessern, ohne dass das solarthermische System mit neuen Komponenten unnötig verkompliziert wird.
Ein Sensor genügt
Um das zu verstehen, muss man wissen: Ein wichtiger Teil des Systems ist ein kleiner Sensor, der die Temperatur im Wasserkreislauf der Solarthermieanlage misst. Dieser Sensor befindet sich meist an einer relativ unzugänglichen Stelle, nämlich auf dem Hausdach nahe dem Sonnenkollektor. Doch er liefert die einzigen Daten, die speziell zum Zweck der Fehlerdiagnose erhoben werden. «Man braucht keine weiteren Sensoren», betont Hofmann. «Somit ist das Überwachungssystem kostengünstig und einfach zu bedienen.»
Der Sensor überträgt die Messwerte über ein Funknetz – Long Range Wide Area Network, kurz LoRaWAN – an eine cloudbasierte Datenbank. Das LoRaWAN ist bereits für Smart-Home-Anwendungen etabliert. Ein Computer ordnet dem Datensatz dann die Umgebungstemperatur und die Stärke der Sonneneinstrahlung zu, die er von der nächstgelegenen Wetterstation erhält. Anschliessend werden die Daten durch ein Programm auf dem Computer analysiert.
Von menschlicher zu Künstlicher Intelligenz
Bislang arbeitete das Programm mit regelbasierten Algorithmen, also Rechenoperationen nach statischen Regeln, die von Menschen festgelegt und programmiert wurden. «Wir haben dann im Projekt LoCoSol untersucht, ob eine Künstliche Intelligenz, also ein maschinell lernender Algorithmus, Fehlerzustände von Solarthermieanlagen allein anhand der erfassten Daten automatisch erkennt», berichtet Hofmann. LoCoSol steht für LowCost-Monitoring von thermischen Solaranlagen und war ein Projekt, das vom Bundesamt für Energie BFE gefördert wurde.
Mit der Künstlichen Intelligenz sollten Störungen auch dann gefunden werden, wenn sich der Sensor nicht mehr schwer erreichbar auf dem Dach befindet. Das war bisher nicht möglich. Doch aufwändige Wartungsarbeiten könnten entfallen, wenn der Sensor einfach zugänglich im Technikraum installiert wäre.
Medizinische Anwendungen als Vorbild
Das Team um Hofmann und Projektleiter Ralph Eismann analysierte unter anderem, welches künstliche neuronale Netz für die gestellte Aufgabe besonders geeignet ist. Ein solches neuronales Netz ist eine Software, die in ihrer Funktionsweise den Nervenzellen (Neuronen) im menschlichen Gehirn ähnelt und die daher lernen kann. Als geeignet erwies sich ein neuronales Netz, das bereits bei der medizinischen Überwachung von Patient*innen eingesetzt wird – zum Beispiel für Puls- und Blutdruckmessungen. Für Hofmann ist das nicht überraschend: «Die Muster einer Temperaturkurve und einer Puls- oder Blutdruckkurve unterschieden sich nicht sehr stark. Beide lassen sich gut analysieren.»
Schnelle Behebung von Fehlern
Tatsächlich waren die Ergebnisse von LoCoSol so ermutigend, dass die Projektpartner – erneut gefördert vom Bundesamt für Energie BFE – 2021 den Nachfolger LoCoSol+ starteten. LoCoSol+ soll eine marktreife Technologie einführen, die ein schweizweit flächendeckendes Monitoring neuer und bestehender Solarthermieanlagen ermöglicht. Dabei soll ein zentraler Computer auch bei Hunderten von überwachten Solarthermieanlagen automatisch und zuverlässig 13 verschiedene Fehlertypen erkennen – von einer zu hohen Temperatur in der Anlage über zu hohe Wärmeverluste während der Nacht bis hin zu einer Leckage. «Wenn das System dann Alarm schlägt, muss der kurzfristig beauftragte Heizungsmonteur nicht lange nach dem Fehler suchen. So kann die Kapazität jeder Solarthermieanlage stets maximal ausgeschöpft werden», sagt Projektleiter Eismann. Das wäre ein erfreulicher Fortschritt – für Warmduscher und das Klima.