
Ein Kompass für die Gehirnchirurgie
Zwei Teams der FHNW um die Doktorandin Céline Vergne haben ein System entwickelt, mit dem sich Elektroden bei Gehirnoperationen besser positionieren lassen. Das soll unter anderem die Behandlung von Parkinson optimieren.
Genau 40 Jahre ist es her, seit Marty McFly mit dem inzwischen legendären DeLorean das erste Mal «zurück in die Zukunft» reiste. Die Science-Fiction-Komödie aus dem Jahr 1985 wurde zum Hit, zog zwei Fortsetzungen nach sich und machte den damals 24-jährigen Hauptdarsteller Michael J. Fox zum Star. Wenige Jahre später ereilte den Schauspieler dann ein Schicksalsschlag: Michael J. Fox erkrankte an Parkinson. Seither engagiert er sich aktiv im Kampf gegen die Nervenkrankheit und gründete zu diesem Zweck auch eine Forschungsstiftung.
DBS: Der «Hirnschrittmacher»
Eine wirksame Behandlungsmethode gegen Parkinson ist heute die Tiefe Hirnstimulation (englisch: Deep Brain Stimulation oder DBS). Dabei werden Elektroden millimetergenau in tiefe Gehirnregionen implantiert, die dort die Nervenzellen mithilfe von elektrischen Impulsen beeinflussen. In der Populärsprache ist das Verfahren auch als «Hirnschrittmacher» bekannt. Eingesetzt wird es ausser gegen Parkinson auch gegen andere Krankheitsbilder wie beispielsweise Tremor oder Zwangsstörungen.
Kleine Abweichung, grosse Wirkung
Ein entscheidender Erfolgsfaktor dieser Methode ist eine präzise Platzierung der Elektrode: Je genauer diese ist, desto effizienter ist der Eingriff. «Kleine Abweichungen haben eine grosse Wirkung», sagt die FHNW-Doktorandin Céline Vergne. «Eine Abweichung von einem Millimeter kann die therapeutische Wirkung schon stark reduzieren und eventuell sogar Nebenwirkungen verursachen.» Genau an dieser Präzisierung setzt die Forschung von Vergne an: Das System dient der Chirurgin oder dem Chirurgen sozusagen als «Kompass», um den genauen Standort der Elektrode zu bestimmen.

Feldgenerator, Sensor und Algorithmus
Céline Vergne hat das Ortungssystem im Rahmen ihres Doktorats in Zusammenarbeit mit den beiden FHNW-Teams Neuroengineering (Leitung: Simone Hemm-Ode ) und Sensor-Systeme (Leitung: Joris Pascal ) entwickelt. Ebenfalls involviert waren klinische Partner. Das neue System verbindet die bildgebenden Technologien wie das MRI besser mit den elektromagnetischen Lokalisierungssystemen. Diese beiden Techniken sind zwar bereits vorhanden und werden in der Praxis angewendet. «Doch sie sind nicht nahtlos miteinander kombinierbar, und die existierenden elektromagnetischen Lokalisierungsansätze sind bei Operationen häufig störungsanfällig», erklärt Vergne.
Die entwickelte Lösung besteht aus drei Komponenten: einem Feldgenerator aus Kupferspulen, der ein Magnetfeld erzeugt; einem Sensor, der dieses Magnetfeld misst; und einem Tracking-Algorithmus, der die Messungen in Relation zur räumlichen Lage setzt – sie sozusagen «übersetzt».
Chips wie aus dem Smartphone
Das Kernstück des neuen Systems ist der Magnetfeldsensor. «Er enthält Mikrochips, ganz ähnlich denen, die man heute auch in Smartphones findet», erklärt Céline Vergne. Im Unterschied zu den Mikrospulen, wie man sie heute in den kommerziellen Systemen verwendet, sind die Chips in der OP-Umgebung weniger störungsanfällig. Zudem sind sie sehr klein und funktionieren kabellos. «Das ermöglicht, mehrere davon parallel zu nutzen», erläutert die Doktorandin. «Das System ist somit nicht nur kleiner, sondern auch robuster.»
Brücke zwischen verschiedenen Fachgebieten
«Spannend an diesem Projekt ist die Interdisziplinarität», sagt Céline Vergne. «Ich selbst komme aus der Elektrotechnik und tausche mich mit Expertinnen und Experten aus der Medizin und der Physik aus.» Das Ergebnis der Zusammenarbeit ist keine Revolution über Nacht, sondern ein System, das die bestehenden Verfahren ergänzt und optimiert.
Vom Labor in den OP-Saal
Nun geht es für Céline Vergne und ihre Kolleginnen und Kollegen darum, das System aus dem Labor in den Operationssaal zu führen. «Wir müssen dabei die Leistungsfähigkeit noch breiter validieren und die Einbindung in die OP-Umgebung vorbereiten», erklärt sie. Das FHNW-Team arbeitet dabei mit einem Registrierungssystem. Anschliessend soll das System im OP-Setting getestet werden – nicht gleich am Menschen, sondern zuerst mit Kopfmodellen und Präparaten. Die FHNW arbeitet dabei mit dem Universitätsspital Basel zusammen. Auch wenn das System heute noch weit weg ist von einer klinischen Anwendung, so hat die Idee doch ein interessantes Potenzial für die Zukunft – und das ganz ohne Zeitmaschine.
«Future Health» – eines von drei Zukunftsfeldern der FHNW
Im Rahmen ihrer Strategie FHNW 2035 wird die FHNW in den drei Zukunftsfeldern Future Health, Zero Emission und New Work ihre multidisziplinären Kompetenzen in den kommenden Jahren bündeln und ausbauen. Damit möchte sie in den gesellschaftlich relevanten Themenfeldern Arbeit, Gesundheit und Umwelt/Nachhaltigkeit neue Impulse für Lösungen zu aktuellen Problemfeldern der Wirtschaft und der Gesellschaft geben.





