In der Industrie werden Menschen zunehmend von computergesteuerten Maschinen und kollaborativen Robotern unterstützt. Illustration: Christina Baeriswyl
27. März 2018

Fabrikarbeit der Zukunft

Homeoffice und mobile Arbeitsplätze gehören dank technologischer Entwicklungen in vielen Büros heute zum Alltag. Doch wie sieht die Fabrikarbeit der Zukunft aus? Mit dieser Frage beschäftigen sich Studierende der FHNW gemeinsam mit dem Praxispartner ABB.

Die Digitalisierung verändert unsere Arbeitswelt spürbar. Betritt man heute ein Büro, so trifft man immer häufiger auf Arbeitsbedingungen, die noch vor wenigen Jahren kaum vorstellbar waren: Mit den Möglichkeiten, die mobile Geräte bieten, gibt es immer mehr mobile Arbeitsplätze, viele Menschen fahren nicht mehr täglich in die Firma, sondern arbeiten von zu Hause, von unterwegs oder in einem Café.

In anderen Arbeitsbereichen ist hingegen heute noch offen, welche Folgen die digitale Entwicklung haben wird. Wie wird sich die Arbeit in der Industrie verändern? Können auch Polymechaniker oder Automatenbauer ihre Maschinen bald ohne physische Anwesenheit aus der Ferne steuern? Werden in Fabrikhallen in einigen Jahren nur noch Roboter tätig sein? Kurz: Wie sieht die Fabrikarbeit der Zukunft aus? Dieser Frage sind Bachelor-Studierende der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW im Rahmen eines Projekts seit Sommer 2017 nachgegangen. 

Arbeitsanalyse als Basis

Zunächst befassten sich die fünf Studentinnen und Studenten mit dem aktuellen Stand der Forschung zu den erwarteten Auswirkungen der Digitalisierung auf Arbeitsformen und Organisationsstrukturen. Im zweiten Schritt ihres Projekts führten sie beim Praxispartner ABB Turbo Systems in Baden (AG) systematische Arbeitsanalysen durch und untersuchten vor Ort die heutigen Arbeitsbedingungen von Polymechanikern.

Sie besuchten mehrfach die Werkhallen von ABB, beobachteten die Arbeitenden bei ihren Tätigkeiten und sprachen mit Mitarbeitenden über die Bedingungen und Strukturen der Werkarbeit vor Ort. Insbesondere analysierten sie dabei, wie ganzheitlich die Aufgaben sind, über welchen Handlungsspielraum einzelne Mitarbeitende verfügen, und welche Handlungsoptionen zum Umgang mit unvorhergesehenen Vorfällen existieren. «Es war extrem spannend und hilfreich für unsere weitere Arbeit, so weitreichende Einblicke in einen speziellen Arbeitsbereich zu erhalten», sagt Studentin Jenna Amstutz. 

Gemeinsam Szenarien entwickeln

Auf dieser Grundlage führten die Studierenden Workshops mit Mitarbeitenden und Lernenden von ABB durch. Gemeinsam mit den Teilnehmenden entwickelten sie Zukunftsszenarien für die Arbeit von Polymechanikern und -mechanikerinnen. Im Rahmen der Workshops liessen sie die ABB-Mitarbeitenden auch über mögliche Entwicklungen ihres Berufsfeldes fantasieren. «Wir haben ganz bewusst keine Grenzen gesetzt und jeder Art von Idee, Fantasie oder Vision Platz gegeben. Uns geht es dabei weniger um die technische Umsetzbarkeit als vielmehr darum, kreative Zukunftsszenarien zu entwickeln», erklärt Studentin Jenna Amstutz.

«Szenarien zu entwickeln, ist eine wichtige Methode, um sich auf künftige Entwicklungen vorbereiten zu können, die wir heute noch nicht oder nur in Teilen kennen», ergänzt Toni Wäfler, zuständiger Professor am «Institut Mensch in komplexen Systemen» der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW. «Wir untersuchen unter anderem, wie sich Menschen am besten motivieren lassen. Ein wichtiger Aspekt dabei ist, die Technik so zu gestalten, dass die Menschen sie verstehen und zu ihrem Nutzen einsetzen können.»  

Chancen erkennen

Die Workshops mit den ABB-Mitarbeitenden seien sehr lebendig verlaufen, freut sich Studentin Emely Blatti. «Die Ideen sprudelten nur so.» Die Teilnehmenden wünschten sich beispielsweise Maschinen, die bereits vor dem Menschen registrieren, wenn etwas im Prozess nicht korrekt läuft. So könnten sie frühzeitig reagieren, noch bevor ein fehlerhaftes Produkt entsteht und damit auch Materialverschleiss vermeiden. «Ein weiteres Thema waren Virtual-Reality-Brillen, die das Innere von Werkstücken abbilden», erinnert sich Blatti. In einigen Unternehmen sind solche Brillen bereits im Einsatz. Schon heute sind in den riesigen Industriehallen von ABB in Baden viele Produktionsprozesse automatisiert. Im Inneren einer zimmergrossen computergesteuerten Maschine rotieren tonnenschwere Werkteile, einzig von zwei gut ausgebildeten Mitarbeitenden am Bildschirm kontrolliert. Andernorts fräst eine programmierte Maschine Hunderte von identischen Turbinenschaufeln aus pflastersteingrossen Stahlklötzen. Mit eigenen digitalen Lösungen prägt das Technologieunternehmen ABB die industrielle Digitalisierung auf der ganzen Welt entscheidend mit – ein idealer Hintergrund also für die Studie.

«Die Chancen der Automatisierung wurden bei uns schon immer verfolgt und dort, wo sie sinnvoll sind, konsequent umgesetzt», erklärt Volkmar Haueisen, Produktionsleiter bei ABB. Die Digitalisierung biete nun zusätzliche Chancen für Schweizer Unternehmen, um die Wettbewerbsfähigkeit weiter auszubauen. Er geht davon aus, dass Menschen, Maschinen, Produkte und Logistik künftig noch stärker miteinander vernetzt werden – Stichwort Industrie 4.0. Dies wird die Qualität und Prozesse verbessern, wobei sich einige angestammte Tätigkeiten weiter verändern werden, zusätzliche Qualifikationen gefordert und damit auch neue Arbeitsplätze entstehen werden, meint Haueisen.

Langjährige Zusammenarbeit

«Bei jeder technischen Weiterentwicklung ist es wichtig, dass die unmittelbar betroffenen Mitarbeitenden beteiligt werden», weiss der Produktionsleiter. «Ob die Angestellten morgens gerne zur Arbeit kommen, ist entscheidend dafür, was am Abend herauskommt.» Gespannt erwartet Volkmar Haueisen deshalb die Vorstellung der Projektergebnisse.

Diese Ergebnisse werden als Basis für die Entwicklung von Konzepten dienen, wie die Arbeit mithilfe der Digitalisierung so weiterentwickelt werden kann, dass neue, attraktive Jobs entstehen, dass die Digitalisierung die Mitarbeitenden in ihrer Arbeit unterstützt und dass Potenziale zur Verbesserung erkannt werden.

Bereits seit den 1990er-Jahren führt die ABB gemeinsam mit Arbeitspsychologinnen und -psychologen Projekte zur Entwicklung der Arbeit durch. «Wir sind stark technisch und ökonomisch geprägt», weiss Haueisen. Die Studierenden und Forschenden der Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW bringen andere wichtige Kompetenzen und Sichtweisen auf die Gestaltung der Arbeit ein, von welchen das Unternehmen und seine Mitarbeitenden profitieren. Umgekehrt bietet das Partnerunternehmen den Studierenden die Möglichkeit, ihre im Studium erlernten Fähigkeiten und Kenntnisse in der Praxis anzuwenden und zu vertiefen.

Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie

Die Hochschule für Angewandte Psychologie FHNW bietet im Rahmen des Bachelorstudiums die Studienrichtungen Wirtschaftspsychologie und Arbeits-, Organisations- und Personalpsychologie an.

Ziel arbeits-, organisations- und personalpsychologischen Handelns ist es, die Passung zwischen dem Individuum und der Arbeitsaufgabe, dem Organisationsumfeld sowie den technologischen Rahmenbedingungen bestmöglich zu gestalten. Die Studierenden beschäftigen sich mit menschlichem Erleben und Handeln in Arbeit und Organisation. Sie erwerben Kompetenzen, um in betrieblichen Projekten mitzuwirken und dort das fachliche und methodische Wissen und Können der Psychologie einzubringen. Bereits während des Studiums wenden sie das Erlernte im Rahmen von Praxisprojekten in Unternehmen und Organisationen an.Nach dem Bachelorabschluss sind die Absolventinnen und Absolventen in vielfältigen Bereichen tätig, so zum Beispiel im Human Resource Management, in der Personalentwicklung, in der betrieblichen Gesundheitsförderung oder in der Organisations- und Unternehmensentwicklung.

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