
Heizen gegen die Klimaerwärmung
Es klingt zu gut, um wahr zu sein: Eine Heizung, die der Atmosphäre CO2 entzieht, statt das Klima zu belasten. Doch seit September 2024 steht in einem Wohnhaus in Biel genau so eine Anlage. Ein Forschungsteam der Pyronet GmbH und der Hochschule für Technik und Umwelt FHNW hat sie entwickelt. Sie nutzt Holzpellets, um Wärme zu erzeugen, und produziert dabei Pflanzenkohle, in der CO2 langfristig gebunden ist.
Bereits herkömmliche Holzpelletheizungen gelten als klimafreundliche Alternative zu Öl- oder Gasheizungen. Beim Verbrennen setzen sie nur das CO2 frei, das der Baum während seines Wachstums aus der Atmosphäre aufgenommen hat. Diese Bilanz übersieht allerdings den Zeitfaktor: Beim Verbrennen wird in wenigen Stunden die CO2-Menge emittiert, die der Baum über Jahre gespeichert hat. Jedenfalls können übliche Holzpelletheizungen höchstens klimaneutral sein. Sie sind niemals klimapositiv, wirken also nicht dem Klimawandel entgegen.
Ganz anders die Pelletheizung «Pyroheat 30P», die das Basler Start-up Pyronet zusammen mit Forschenden des Instituts für Biomasse und Ressourceneffizienz FHNW entwickelt hat. In diesem Gerät werden die Pellets nicht verbrannt. Stattdessen findet darin bei Temperaturen über 500 Grad Celsius ein Prozess statt, bei dem die chemischen Verbindungen im Holz gespalten werden. Bei dieser sogenannten Pyrolyse entsteht zum einen ein wasserstoffhaltiges Gas. Es wird emissionsarm verbrannt und liefert so die Heizwärme. Zum anderen erzeugt die Pyrolyse Pflanzenkohle – ein festes Material, das überwiegend aus Kohlenstoff besteht.

Pflanzenkohle für Landwirtschaft und Baustoffe
«Pro Tonne Pflanzenkohle werden rund drei Tonnen CO2 über Jahrhunderte gebunden, sofern die Pflanzenkohle beispielsweise in der Landwirtschaft oder in Baustoffen eingesetzt wird», sagt Fridolin Königsberger, Geschäftsführer und Mitgründer von Pyronet. In Böden eingebracht, verbessert Pflanzenkohle deren Wasserspeicherfähigkeit und den Nährstoffaustausch. Ausserdem neutralisiert sie den Geruch von Gülle oder Kompost. Schliesslich kann sie auch als Zusatzstoff in Beton oder Strassenbelägen dienen.
Die Entwicklung der von Innosuisse geförderten Pyrolyseheizung startete Anfang 2023. Pyronet wandte sich mit der Idee und einem Prototyp an ein Team um Timothy Griffin, den Leiter des Instituts für Biomasse und Ressourceneffizienz an der FHNW. Die beiden Partner hatten bereits zuvor erfolgreich zusammengearbeitet.
Innovative Pyrolyse
Dass Holz und andere Biomasse unter Sauerstoffausschluss bei hohen Temperaturen verkohlt, ist schon seit Jahrzehnten bekannt. Doch herkömmliche Pyrolyseverfahren benötigen ständige Wärmezufuhr, um die stattfindenden Reaktionen aufrechtzuerhalten. «Unser Projekt setzt dagegen auf oxidative Pyrolyse», erläutert Timothy Griffin. «Unter Verwendung eines Festbettreaktors und mit kontrolliertem Lufteintrag läuft der Prozess ohne externe Wärmezufuhr.» Festbettreaktoren verdanken ihren Namen einer Schicht festen Materials, als Festbett bezeichnet. In dieser Schicht finden Reaktionen von durchströmenden Gasen oder Flüssigkeiten statt.

Die Forschenden der FHNW entwarfen Reaktoren mit verschiedenen Formen und stellten Modelle davon unter anderem durch 3D-Druck her. Diese Modelle nutzten sie für Versuche, um die Pyrolysefront – die Zone, in der die Reaktionen ablaufen – zu stabilisieren. Neben der Reaktorform spielten Faktoren wie Luft- und Biomasse-Zufuhr sowie die Temperatur eine Rolle. «Wie sich der Pyrolyseprozess kontrollieren und der Reaktor steuern lässt, waren wesentliche Punkte unserer Untersuchungen», sagt Griffin. Sein Team analysierte auch, wie viel Pflanzenkohle unter verschiedenen Bedingungen aus den Reaktoren floss.
Am Ende entstand ein optimierter Reaktor, der in ein Marktprodukt eingeflossen ist. Das Unternehmen installierte im September 2024 eine erste Anlage in einem Bieler Mehrfamilienhaus. Ihre Heizleistung von 30 Kilowatt ist etwa dreimal so hoch wie die eines durchschnittlichen Einfamilienhausheizkessels. Dort läuft die Heizung zuverlässig und hat in einem Winter über zwei Tonnen Pflanzenkohle produziert.
Forschung an kostengünstiger Alternative zu Pellets
Der Markterfolg der Pyrolyseheizung hängt auch von den Kosten ab. Nicht jeder wird sich wie die Bieler Hausbesitzer vor allem aus ökologischen Gründen eine Pyrolyseheizung anschaffen. Daher arbeiten die Forschenden der FHNW und Pyronet im Innosuisse-Projekt bereits daran, die Betriebskosten für die Pyrolysetechnologie zu senken. Das Ziel ist eine Heizung, die statt teurer Pellets günstigere Holzhackschnitzel nutzen kann.
Doch der Wechsel von Pellets zu Hackschnitzeln ist technisch anspruchsvoller als man zunächst denken mag. «Pellets sind genormt, während Hackschnitzel in Form, Grösse und Feuchtigkeitsgehalt stark variieren», erläutert Griffin. «Der Reaktor muss mit diesen Unterschieden zurechtkommen, die auch die Pyrolysefront beeinflussen», so Griffin. Dennoch zeigt er sich zuversichtlich, dass die Projektpartner auch diese Hürde meistern.
Eins ist sicher: Der Brennstoff für die innovative Pyrolyseheizung geht so schnell nicht aus. Ein Drittel der Schweizer Landesfläche ist mit Wald bedeckt. Aktuell schöpfen die Forstbetriebe die Holzmenge nicht aus, die sie nachhaltig ernten könnten. Ausserdem kommen auch noch niederwertige Holzrinde und Reststoffe der Lebensmittelproduktion für die Produktion von Pflanzenkohle in Betracht.
«Zero Emission» – eines von drei Zukunftsfeldern der FHNW
Im Rahmen ihrer Strategie FHNW 2035 wird die FHNW in den drei Zukunftsfeldern Zero Emission, New Work und Future Health ihre multidisziplinären Kompetenzen in den kommenden Jahren bündeln und ausbauen. Damit möchte sie in den gesellschaftlich relevanten Themenfeldern Arbeit, Gesundheit und Umwelt/Nachhaltigkeit neue Impulse für Lösungen zu aktuellen Problemfeldern der Wirtschaft und Gesellschaft geben.