Bildmontage einer Zeichnung eines menschlichen Herz im Hintergrund und davor der Graph eines EKG
Herzrhythmusstörungen lassen sich häufig durch einen kleinen Eingriff, eine Katheterablation, therapieren. (Bild: iStock/Creative Commons Licence)
24. Juni 2025

Herz aus dem Takt: KI prognostiziert Therapieerfolg

Vorhofflimmern trifft insbesondere ältere Menschen. Die weltweit häufigste Herzrhythmusstörung wird standardmässig mit einer kurzen Operation – der Katheterablation – behandelt. Forschende des Instituts für Medizintechnik und Medizininformatik der FHNW finden nun in Zusammenarbeit mit einer Forschungsgruppe der Kardiologie des Universitätsspitals Basel anhand von Patientendaten heraus, ob der Erfolg dieses Eingriffs vorhergesagt werden kann. Unterstützt werden sie dabei von künstlicher Intelligenz.

Ein regelmässiger Herzschlag ist entscheidend für die zuverlässige Funktion des menschlichen Körpers. Gerät dieser Rhythmus aus dem Takt, kann dies verheerende Folgen haben. Ein Herz, das nicht mehr im Takt ist, das stolpert, ist jedoch keine Seltenheit. Rund 10 Prozent der Menschen über 75 Jahren leiden an sogenanntem Vorhofflimmern. Aufgrund von Vernarbungen und Störungen im elektrischen Leitungssystem des Vorhofs entstehen falsche elektrische Impulse. Patient*innen können dies wahrnehmen als Herzrasen, – stolpern oder -klopfen. Nicht selten bleiben die Symptome jedoch unentdeckt. So ist Vorhofflimmern oftmals ein Zufallsbefund im Elektrokardiogramm (EKG), das die elektrische Aktivität des Herzens aufzeichnet.

Da Vorhofflimmern auch ohne Symptome den Herzmuskel stark beansprucht und sogar zu schwerwiegenden Erkrankungen wie einem Schlaganfall führen kann, ist es wichtig, dieses elektrische Gewitter wieder in den Takt zu bringen. Standardmässig wird dies mithilfe einer Katheterablation erreicht. Dies ist ein minimalinvasiver Eingriff am Herz, der die störenden Herzareale verödet und so den regelmässigen Herzschlag – den sogenannten Sinusrhythmus – wiederherstellt.

Vergleich zweier EKG-Graphen
Vorhofflimmern (oben) im Vergleich zu einem regulären Sinusrhythmus (unten). Bei einem Vorhofflimmern fehlen die typischen P-Wellen (violetter Pfeil). Stattdessen zeigt sich ein unregelmässiges Bild. (Bild: iStock/Creative Commons Licence)

Daten aus Krankenakten liefern wichtige Einblicke

Für die Mehrheit der Patient*innen ist die Katheterablation ein einmaliger Eingriff. Es kommt jedoch vor, dass die Herzrhythmusstörung zurückkehrt. Bei welchen Patient*innen ein Rückfall auftritt, ist bisher nicht vorauszusehen. Dies möchten Reto Wildhaber, Nico Grütter und Frédéric Waldmann vom Institut für Medizintechnik und Medizininformatik der Hochschule für Life Sciences FHNW zusammen mit Sven Knecht und seiner Forschungsgruppe der Kardiologie am Universitätsspital Basel ändern. Die Hinweise für eine verlässliche Prognose liegen in der individuellen Krankenakte. Je mehr Patientendaten zur Verfügung stehen, umso eher lassen sich die entscheidenden Hinweise entdecken.

«Wir trainieren die künstliche Intelligenz mit den Daten von Patientinnen und Patienten, um damit konkrete Fragen beantworten zu können.»
Nico Grütter, Institut für Medizintechnik und Medizininformatik, Hochschule für Life Sciences FHNW

Als Grundlage für seine Spurensuche dienten dem Team die digitalen Krankenakten aus drei grossen Schweizer Spitälern. «Uns liegen Datensätze aus den letzten 15 Jahren von ca. 2000 Patientinnen und Patienten mit je 150 Parametern plus EKGs vor», erklärt Nico Grütter. «Die Daten wurden jedoch über die Jahre unterschiedlich erfasst. Die erste Herausforderung war es damit, alle Datensätze in ein einheitliches System zu übertragen.»

Nico Grütter forscht am Institut für Medizintechnik und Medizininformatik der Hochschule für Life Sciences FHNW. (Foto: FHNW)

Hierzu mussten die Daten über mehrere Monate vereinheitlicht werden, um daraus eine bereinigte Datenbank zu erstellen. Diese Datenbank wird nicht nur für das aktuelle Projekt verwendet, sondern soll auch künftigen Forschungsprojekten an der FHNW in Zusammenarbeit mit dem Universitätsspital Basel zur Verfügung stehen.

Künstliche Intelligenz wird trainiert, um Erfolgschancen vorherzusagen

Bei der Analyse dieser Daten werden die Forschenden durch künstliche Intelligenz unterstützt. Dies macht die Forschung effizient und das KI-Tool wird bereits jetzt für die Zukunft trainiert. «Mithilfe dieses Tools sollen künftig Zentrumsspitäler in der Lage sein, eine Prognose zur Erfolgschance bestimmter Eingriffe zu stellen», hofft Reto Wildhaber.

Neben allgemeinen Messdaten wie Blutdruck, Geschlecht oder Gewicht wurden insbesondere die EKGs der verschiedenen Patient*innen miteinander verglichen, denn darin vermuteten die Forschenden Hinweise für eine Erfolgsprognose der Katheterablation. Doch genau diese Vergleiche waren herausfordernd, wie Wildhaber weiss: «Reale EKG-Messdaten aus der Klinik zeigen eine enorme Variation. Damit ist für das Training von robusten Algorithmen eine hohe Anzahl von Datensätzen nötig, was die Arbeit teuer und aufwendig macht.»

«Qualitativ hochwertige Daten sind der Schlüssel zum Erfolg»
Reto Wildhaber, Dozent am Institut für Medizintechnik und Medizininformatik der Hochschule für Life Sciences FHNW (Foto: FHNW)

Neue Fragestellungen für die Zukunft

Noch während ihrer Analyse entwickeln die Forschenden bereits neue Fragestellungen. Könnte bereits bei gesunden Personen festgestellt werden, ob irgendwann Vorhofflimmern auftreten wird? Kann im Vorfeld definiert werden, bei wem welche Art der Katheterablation erfolgsversprechend ist? Der Grundstein für die genaue Erforschung der weltweit häufigsten Herzrhythmusstörung ist mit diesem durch die Schweizerische Herzstiftung geförderten Projekt gelegt worden.

«Es ist immer wieder faszinierend, neue Zusammenhänge in den Daten von Patient*innen zu entdecken», sagt Wildhaber. «Man muss aber auch akzeptieren, dass wir vieles noch nicht vollständig verstehen.»

«Future Health» – eines von drei Zukunftsfeldern der FHNW

Im Rahmen ihrer Strategie FHNW 2035 wird die FHNW in den drei Zukunftsfeldern Future Health, Zero Emission und New Work ihre multidisziplinären Kompetenzen in den kommenden Jahren bündeln und ausbauen. Damit möchte sie in den gesellschaftlich relevanten Themenfeldern Arbeit, Gesundheit und Umwelt/Nachhaltigkeit neue Impulse für Lösungen zu aktuellen Problemfeldern der Wirtschaft und Gesellschaft geben.

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