Per Video begegnen sich Schüler*innen aus deutschsprachigen und französischsprachigen Klassen und stellen sich einander vor. Foto: Patrick Kälin
15. Juni 2023

Im digitalen Austausch mit der Romandie

Schulklassen aus der Deutschschweiz und der Romandie sollen künftig vermehrt mithilfe digitaler Tools miteinander in Kontakt treten. In einem Entwicklungsprojekt der Pädagogischen Hochschule FHNW werden mit Pilotklassen verschiedene Unterrichtseinheiten erarbeitet.

«Wann machen wir endlich weiter?» Diese Frage hat die Lehrerin Jasmin Menini in den letzten Wochen häufiger von ihren Schüler*innen gehört. «Die Klasse wollte den Austausch mit den neu gewonnenen Kolleg*innen aus Delémont fortsetzen», so Menini. Sie unterrichtet in Basel aktuell eine dritte Klasse in der Sekundarstufe A. Entstanden ist der Kontakt mit der Klasse aus dem Jura 2022 im Rahmen eines Entwicklungsprojekts der Pädagogischen Hochschule FHNW (PH FHNW). Bislang kennen sich die beiden Klassen nur aus dem digitalen Raum. Denn das Entwicklungsprojekt nutzt das didaktische Potenzial digitaler Medien wie Chats, Videotelefonie oder Video- und Audioaufnahmen.

Fokus auf Sprechen und Hörverständnis

«Wir haben zwei zweisprachige Unterrichtsmodule mit je fünf bis acht Lektionen erarbeitet», erklären Jan-Oliver Eberhardt und Carine Greminger Schibli. Die beiden Fachpersonen von der Professur Didaktik der romanischen Sprachen und ihre Disziplinen leiten gemeinsam dieses Entwicklungsprojekt am Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW. Der Fokus in den beiden Modulen liege auf dem Sprechen und dem Hörverständnis, so Jan-Oliver Eberhardt. «Die entsprechenden Aufgaben sind handlungs- und kompetenzorientiert. So erstellen die Schüler*innen unter anderem Videos, in denen sie sich selbst vorstellen, Podcasts über ihre eigene Region und ein digitales Poster über interkulturelle Gemeinsamkeiten und Unterschiede. Obendrein kommunizieren sie miteinander per Videotelefonie und Chats.»

Jan-Oliver Eberhardt ist Dozent für Fachdidaktik an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Bildquelle: zVg

Oberstes Ziel dieses vom Bundesamt für Kultur unterstützten Projekts sei die authentische Kommunikation zwischen den Klassen aus den beiden Sprachräumen, ergänzt Carine Greminger Schibli. «Die Schüler*innen sollen sich wirklich kennenlernen und dabei auch noch etwas über den Alltag, das Leben und die Kultur im jeweils anderen Landesteil erfahren.»

Um die Unterrichtseinheiten zu testen, suchten Eberhardt und Greminger Schibli 2022 acht Pilotklassen auf der Sekundarstufe I. «Wir bildeten Tandems aus der Deutschschweiz und der Romandie. Neben einem ähnlichen Sprachlevel galt es auch andere Kriterien wie eine ähnliche Klassengrösse zu berücksichtigen», so Eberhardt. Jasmin Menini, die früher selbst an der PH FHNW studierte, wurde auf das Entwicklungsprojekt aufmerksam und meldete sich mit ihrer Klasse. «Ich hatte schon länger im Sinn, einmal einen Austausch mit einer Klasse aus der Westschweiz zu planen und wusste deshalb auch, dass es gar nicht so einfach ist, geeignete Klassen zu finden», so Menini. «Da mir zudem meine Klasse für das Projekt geeignet schien, habe ich mich gemeldet.»

Einfachere Kontaktaufnahme

Die beiden Lehrpersonen des Tandems Basel-Delémont haben dann eines der beiden Module ausgewählt und einen gemeinsamen Zeitplan vereinbart. «Wir haben uns für die Produktion von Vorstellungsvideos entschieden», so Menini.

«Gerade bezüglich der Aussprache hat das Projekt viel gebracht.»
Jasmin Menini, Lehrerin in Basel

«Das Thema hat unsere Schüler*innen sofort begeistert», erzählt Menini. «Es ist sehr praxisrelevant und durch das Videoformat hatten sie weniger Hemmungen als bei einer direkten Interaktion.» So konnten sich die Schüler*innen ihren neuen Kolleg*innen aus dem anderen Sprachraum vorstellen, ohne direkt aufeinander reagieren zu müssen. «Das hat die Kontaktaufnahme sicherlich vereinfacht», so Menini. Ihre Klasse habe die Aufgabe sehr ernst genommen. «Man merkte, dass sie einen guten Eindruck auf ihre neuen Kolle*ginnen machen wollten. Gerade bezüglich der Aussprache hat das Projekt viel gebracht», blickt die Basler Lehrerin zurück. Von diesem positiven Effekt haben Eberhardt und Greminger Schibli auch in den Feedbacks der Lehrpersonen und Schüler*innen erfahren. «Es war den Schüler*innen wichtig, bei ihren Partnerklassen einen guten Eindruck zu hinterlassen und ein qualitativ hochstehendes Produkt zu erarbeiten», weiss Carine Greminger Schibli.

Carine Greminger-Schibli, Dozentin für Fachdidaktik an der Pädagogischen Hochschule FHNW. Foto: Barbara Keller
«Es war den Schüler*innen wichtig, bei ihren Partnerklassen einen guten Eindruck zu hinterlassen und ein qualitativ hochstehendes Produkt zu erarbeiten.»
Carine Greminger Schibli, Institut Sekundarstufe I und II der PH FHNW

Italienische Übersetzung geplant

Das Modul dauerte insgesamt etwa vier Wochen. Danach haben alle acht teilnehmenden Lehrpersonen in jeweils einem Video-Interview ihr Feedback zu den Unterrichtsmodulen gegeben, zusätzlich beantworteten rund 90 Schüler*innen noch einen Online-Fragebogen. Auf Basis dieser Rückmeldungen überarbeiteten die beiden Projektleitenden die bereitgestellten Materialen. «Es zeigte sich etwa, dass ein spezielles Vocabulaire für den Umgang mit digitalen Tools nötig ist», so Jan-Oliver Eberhardt. Die optimierten Module werden dann noch in einem zweiten Durchlauf in anderen Schulklassen durchgeführt. «Ziel ist es, die Unterrichtseinheiten online der Öffentlichkeit zugänglich zu machen», so Eberhardt weiter. Das allgemein positive Feedback und die Freude der Teilnehmenden an diesem Angebot bestätigen ihn in der Absicht, auch Module für 5. und 6. Klassen zu erarbeiten und obendrein Module für den Italienischunterricht zu konzipieren.

Jasmin Meninis Klasse gehört zu den vier Klassen, die auch an der zweiten Projektphase teilnehmen. Ende März hat das Austauschprojekt wieder Fahrt aufgenommen. «Nun produzieren die Schüler*innen für die Partnerklassen Podcasts, in denen sie ihre Lieblingslieder vorstellen», sagt Jasmin Menini. Und: Der Austausch soll nicht in der digitalen Welt bleiben. «Ein reales Treffen der beiden Klassen soll ebenfalls stattfinden. Das wäre ein schöner Abschluss des Projekts, den sich auch die Schüler*innen wünschen.»

Der Text basiert auf einem Artikel von Marc Fischer, PH FHNW, und ist im Original in «das HEFT» im Mai 2023 erschienen.

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