Mithilfe von «Big Data» wird in Bern das Spital der Zukunft geplant
Im Auftrag des Berner Inselspitals hat die Hochschule für Life Sciences FHNW eine grosse Menge an Daten ausgewertet und visualisiert, welche die Wege von Patienten und Patientinnen und Behandlungsmuster im Spital aufzeigen. Die Hochschule hat dazu eigens ein Programm entwickelt. Geschaffen wurde so die Planungsgrundlage für die Umstrukturierungen und Neubauten des grössten Berner Spitals.
Das Universitätsspital Bern, besser bekannt als Inselspital, wird bis 2025 umfassend neu strukturiert, um den Betrieb effizienter zu gestalten und insbesondere die Patientenwege zu minimieren. Als Grundlage für die Planung dient eine breit angelegte Analyse von Patienten- und Leistungsdaten. Zu diesem Zweck hat die Hochschule für Life Sciences FHNW sämtliche Wege ausgewertet, welche die Patientinnen und Patienten innerhalb eines Kalenderjahrs im Krankenhaus zurückgelegt haben.
Interaktiv
Diese Patientenwege wurden an der FHNW, die langjährige Erfahrung mit der Datenvisualisierung hat, auf verschiedene Arten dargestellt. Unter anderem in einem kreisförmigen Diagramm (siehe Bild). Um den Kreis herum sind die 40 Kliniken des Spitals abgebildet.
Die Linien stellen die Anzahl Patientinnen und Patienten dar, die innerhalb eines Jahres von einer Klinik in die andere unterwegs waren. Je breiter eine Linie, desto mehr Personen bewegten sich hin und her. Das interaktive Darstellungsmodell, das die Hochschule entwickelt hat, zeigt per Mausklick die Transfers zwischen den Kliniken sowie zwischen den einzelnen Abteilungen. Weiter wurde ein 3-D-Modell der Spitalbauten erzeugt, wo die zukünftigen Patientenbewegungen ersichtlich sind.
Zukunftsträchtig
Bei den Visualisierungen legten die Forscherinnen und Forscher der Hochschule Wert darauf, dass sie interaktiv und attraktiv anzusehen sind. Diese Art, Daten zu visualisieren, hat auch einen spielerischen Aspekt: «Es soll durchaus lustvoll sein, mit den Informationen zu experimentieren», betont Brodbeck.
Das von der FHNW entwickelte Visualisierungsmodell ist zukunftsträchtig: Derzeit ist die Hochschule für Life Sciences FHNW, zu deren Projektpartnern auch Medizinaltechnik- und Pharmafirmen gehören, an einem Projekt des Basler Unispitals zur Ablösung des «Klinikum 2» beteiligt sowie an einem Projekt, das den Stromverbrauch in der Radiologie dieses Spitals verringern soll.
«Wir haben viel Zeit gewonnen.»
Andreas Walter war Projektleiter für den Masterplan beim Inselspital. Seit Frühling 2016 ist er Managing Partner bei der Firma MMI Schweiz AG, welche sich auf Spitalplanung spezialisiert hat. Derzeit betreut er noch zwei Teilprojekte für das Berner Spital.
Ausgangslage war die Grunderneuerung des Campus. Der Masterplan sollte beantworten, was mit den alten, sanierungsbedürftigen Gebäuden in Zukunft geschieht und wie sich das Areal zu entwickeln hat. Der Campus ist organisch gewachsen, was zu einer kompletten Verzettelung des Areals geführt hat. Die Kliniken sind über den ganzen Campus verstreut, die Patienten und das Personal müssen weite Wege zurücklegen. Ziel des Masterplans ist, dies zu konsolidieren und die Neugestaltung prozessoptimiert am Patienten auszurichten.
Wir wussten, dass bisherige Planungsannahmen und typische Masterpläne für uns nicht die richtigen Antworten geliefert hätten. Mit Dominique Brodbeck und Markus Degen von der FHNW, mit denen ich schon seit Jahren arbeite, haben wir nach Möglichkeiten gesucht, Planungsgrundlagen zu entwickeln, die belastbarer sind. Wir kamen auf die Idee, die grosse Datenmenge, die das Spital für unterschiedliche Zwecke akquiriert und bewirtschaftet, zu nutzen. Wir haben alle diese Daten zusammengefügt und konnten so ganz neue Darstellungen und Analysen vornehmen, wie sie bisher nicht möglich waren.
Dank dieser Datenauswertung haben wir nicht nur die Patientenwege analysieren können, sondern auch, welche Leistungen wo erbracht werden. Wir haben dann sogenannte Cluster definiert. Das heisst: Wir haben definiert, welche Kliniken in der Nähe sein müssen, da sie eng miteinander arbeiten. Gleichzeitig haben wir die Cluster quantifiziert: Wie viele Minuten im Operationssaal, wie viele Intensivnächte oder Röntgenuntersuchungen benötigt jeder Cluster? Aufgrund dieser Analyse konnten wir die neuen Gebäude designen: Wie viele und welche Räume müssen wo angeordnet sein, damit der Patientenprozess effizient wird?
Ärzte sind sehr stark visuell veranlagt. Mit Excel-Tabellen, die viele Daten enthalten, können sie meist nicht viel anfangen. Anders mit den Visualisierungen: Sie haben dank diesen Bildern gesehen, welche Wege sie auf dem Campus zurücklegen. Die Ärzte haben erkannt: Wenn die neuen Räume aufgrund dieser Erkenntnisse geplant werden, wird das neue Spital funktionieren. Das hat sehr viele Diskussionen erspart.
Ja, dank diesem Ansatz wissen wir genau, was wir benötigen, welche Klinik wohin kommt und wie sie untereinander zu vernetzen sind. Wir haben damit auch viel Zeit gewonnen. Projektstart war 2012. Bereits 2018 wird der erste Neubau in Betrieb genommen, der zweite Bau vier Jahre später.