Nachhaltige Aktion: Energiesparen
Russlands Krieg gegen die Ukraine hat die Sorge vor einem Energiemangel in der Schweiz erheblich verstärkt. Doch nicht nur deshalb ist bei der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW Energiesparen angesagt: Als öffentliche Bildungseinrichtung hat sie eine Vorbildrolle in Sachen Klimaschutz. Mit vielfältigen Massnahmen wird nun der Energieverbrauch gesenkt, ohne dass der Lehr- und Forschungsbetrieb leidet.
Medien, Verbände und Behörden überschütten seit Beginn des Ukraine-Krieges Hauseigentümerinnen und Wohnungsmieter geradezu mit Energiespar-Tipps: kürzer und kälter duschen, Raumtemperatur absenken, Wäsche an der Luft trocknen und so weiter. Manchmal lassen sich die Tipps gar nicht so leicht umsetzen. Und manchmal bleibt offen, welche Massnahme den grössten Effekt hat – ohne den Alltag zu sehr einzuschränken. Was für die Räumlichkeiten zu Hause gilt, trifft umso mehr zu, wenn man 23 unterschiedlich alte Gebäude mit insgesamt 150 000 Quadratmetern an neun Standorten im Blick haben muss. Genau das ist der Immobilienbestand der FHNW. Erschwerend kommt hinzu, dass die Gebäude auf sehr unterschiedliche Weise genutzt werden: Das Spektrum reicht vom Bürogebäude über Hörsäle und Versammlungsräume bis hin zu High-Tech-Labors.
Teil der Nachhaltigkeitsstrategie
Schon im Frühjahr 2022 beschäftigte sich der Bund mit der Möglichkeit, dass die Schweiz ihren Energiebedarf in den Wintermonaten möglicherweise nicht mehr wie gewohnt mit Strom- und Gasimporten aus dem europäischen Ausland decken kann. «Das hat dann in der Folge dem Thema Energiesparen auch an der FHNW neuen Schub verliehen. Allerdings engagierten wir uns auf diesem Gebiet aufgrund des ‹Aktionsplans 2021–2024: Nachhaltige Entwicklung an der FHNW› bereits vorher», sagt Babara Sintzel, Leiterin des Instituts für Nachhaltigkeit und Energie am Bau der Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik FHNW. In dem Aktionsplan definiert die FHNW als eine ihrer strategischen Absichten, den CO2-Ausstoss und den Ressourcenverbrauch zu senken. Dazu sollen unter anderem Massnahmen ergriffen werden, die den Energieverbrauch von Gebäuden und Gebäudetechnik verringern. Zuständig ist die Service-Abteilung «Immobilien und Infrastruktur» mit ihrem Leiter Adrian Dömer sowie Barbara Sintzel und ihr Team.
Kennzahlen ermitteln
Wie aber gehen die Fachleute der FHNW angesichts der Vielfalt der Gebäude und ihrer Nutzungsarten nun vor, um herauszufinden, wo sich Energie sparen lässt? Gregor Steinke, der mit Sintzel und anderen Beteiligten an der Umsetzung des bestehenden Aktionsplans mitwirkt, erklärt: «Am Anfang steht die Analyse, in welchen Gebäuden und Gebäudeteilen wir über ausreichende Messsysteme und aussagekräftige Daten verfügen.» Diese liefern dann die wichtigen Kennzahlen, zum Beispiel den Energieverbrauch eines Gebäudes bezogen auf dessen Grösse. «Wenn wir den Energieverbrauch eines Gebäudes pro Quadratmeter und Jahr wissen, können wir diese Kennzahl mit anderen Gebäuden mit ähnlicher Nutzung vergleichen.» Die Vergleichswerte stammen dabei von Immobilien der FHNW, aber auch von denen anderer Hochschulen oder der Industrie.
Luftwechsel verbraucht Energie
Zeigen sich grosse Differenzen bei dem Kennzahlenvergleich, sind die Fachleute der FHNW gefordert. Sie suchen nach den Ursachen. Sind vielleicht die Lüftungsanlagen eines Gebäudes standardmässig auf einen bestimmten Luftwechsel eingestellt, ohne die Anzahl der Menschen zu berücksichtigen, die sich in den Räumlichkeiten aufhalten? Was passiert mit der stromverbrauchenden Lüftung für einen Hörsaal in der vorlesungsfreien Zeit? Ist sie heruntergeregelt? Aufgrund der Pandemie wurde vielerorts die Lüftung auf Maximalstufe eingestellt, sagt Sintzel: «Während der Corona-Wellen war man überall bemüht, möglichst eine maximale Durchlüftung der Räume zu erreichen. Da sich die Situation normalisiert hat, kann man nun wieder stärker auf den Energieverbrauch schauen, ohne den Gesundheitsschutz dadurch zu vernachlässigen.»
LEDs statt Leuchtstoffröhren
Im Normalfall – ohne Pandemie und Strommangellage – gilt es, diejenigen Möglichkeiten zum Energiesparen zu finden, die keinen negativen Einfluss auf den Lehr- und Forschungsbetrieb der FHNW haben. Steinke berichtet: «Studierende im Studiengang Energie- und Umwelttechnik haben untersucht, wie sich die Beleuchtung in FHNW-Gebäuden am Standort Brugg-Windisch optimieren lässt. Dabei ging es beispielsweise darum, beim vorgeschlagenen Austausch der Leuchtmittel auch die Dauer der Beleuchtung und die Leuchtstärke in den einzelnen Gebäudezonen bestmöglich dem Bedarf anzupassen.» Nach diesen Vorarbeiten wurden in vier FHNW-Gebäuden am Standort Brugg-Windisch 7000 Leuchtstoffröhren durch energiesparende LEDs ersetzt.
Interdisziplinarität gefragt
Weitere potenzielle Stellschrauben, um ohne Nachteile für den Betrieb Energie zu sparen, befinden sich in Rechenzentren. Beispielsweise lässt sich der Energieaufwand für die Kühlung der Server durch den Einsatz moderner Server verringern. Sie vertragen höhere Betriebstemperaturen als frühere Computergenerationen. Steinke: «Um solche Energiesparpotenziale zu heben, bedarf es eines Informationsaustauschs mit den Fachleuten vor Ort, in diesem Fall mit den Betreibern der Rechenzentren.»
Eine andere Möglichkeit sind wiederum Projekte von Studierenden: «Wir als Hochschule für Architektur, Bau und Geomatik haben einen gemeinsamen Studiengang mit der Hochschule für Technik FHNW. Da können unsere Studierenden Themen bearbeiten, bei denen es Schnittstellen zwischen baulichen, informationstechnischen und energietechnischen Fragen gibt», sagt Sintzel. «Das nützt ihnen später auch in der Praxis.»
Im Winter 20 Prozent eingespart
«Im Oktober 2022 haben wir an der FHNW wegen des drohenden Energiemangels drei Massnahmen ergriffen: Wir haben die Raumtemperatur auf 19 Grad Celsius abgesenkt, die Beleuchtungsdauer in den Gebäuden überprüft und die Belüftung optimiert», berichtet Adrian Dömer. Mit Erfolg: Der Stromverbrauch konnte von Oktober 2022 bis Mitte Januar 2023 gegenüber dem Vorjahr um rund eine Million Kilowattstunden gesenkt werden. Das entspricht dem, was in drei Monaten 1000 Haushalte verbrauchen, in denen vier Menschen zusammenleben. Die Massnahmen zahlen sich auch finanziell aus: geschätzt mehr als 200 000 Franken wurden eingespart. «Auf diesem Kurs müssen wir bleiben», betont die Nachhaltigkeitsexpertin Sintzel. «Wir wollen kurzfristig auf einen möglicherweise drohenden Energieengpass reagieren können und – noch wichtiger – durch Energiesparen langfristig unseren Beitrag zum Klimaschutz leisten.»