Das neue Zentrum für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme der FHNW versteht sich als Anlaufstelle für nachhaltige technische Lösungen. (Bild: Shutterstock/JNT Visual)
24. November 2020

Partner für saubere Lösungen

Um nachhaltige Produkte und Dienstleistungen erfolgreich zu entwickeln und auf den Markt zu bringen, ist technisches, wirtschaftliches und naturwissenschaftliches Know-how gefragt. Das neue Zentrum für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW verbindet verschiedene Fachkompetenzen und wird damit zur Anlaufstelle für nachhaltige technische Lösungen.

Werkzeuge zum Fräsen müssen starken Kräften und hohen Belastungen widerstehen. Daher stellt das Unternehmen FRAISA aus dem solothurnischen Bellach seine besten Werkzeuge aus einer sehr harten Legierung des Schwermetalls Wolfram her. Um weniger von diesem teuren und umweltbelastenden Rohstoff aus Importen zu benötigen, bereitet FRAISA verschlissene Werkzeuge wieder auf. Doch wie lässt sich die Nachhaltigkeit des Verfahrens nachweisen und für die Vermarktung nutzen? Mit dieser Frage wandte sich FRAISA zunächst an die Hochschule für Wirtschaft FHNW: Zum einen sollten potenzielle Kundinnen und Kunden befragt und der Markt analysiert werden, andererseits sollte der umwelt- und klimaschonende Effekt der Werkzeug-Wiederaufbereitung im Vergleich zu anderen Verfahren beziffert werden.

Bekannter werden

«Mehr oder weniger zufällig landete das Unternehmen bei seiner Suche nach Unterstützung dann auch bei uns», sagt Michael Bösch vom Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz der FHNW. «Zwar hat sich weithin herumgesprochen, dass wir an der FHNW Studierende in der Energie- und Umwelttechnik ausbilden. Doch dass speziell an der Hochschule für Technik FHNW auf diesen Gebieten auch praxisorientiert und interdisziplinär geforscht wird, ist nicht ausreichend bekannt.» Um das zu ändern, hat Bösch das Zentrum für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme ins Leben gerufen, das im August dieses Jahres offiziell an den Start ging. Statt zufälliger Kontakte wie bei FRAISA soll das neue Zentrum künftig erste Anlaufstelle sein, wenn jemand komplexe Fragestellungen im Bereich sauberer Technologien und Nachhaltigkeit beantworten will.

«Alle Beteiligten bringen vielfältige Erfahrungen aus Forschungsprojekten ein. Diese ergänzen sich und lassen sich nutzen, um nachhaltige und innovative technische Lösungen zu entwickeln.»
Michael Bösch, Dozent für Ressourceneffizienz und Leiter des Zentrums für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme der FHNW

An dem Zentrum sind Forschende aus dem Institut für Kunststofftechnik, dem Institut für Elektrische Energietechnik und eben dem Institut für Biomasse und Ressourceneffizienz beteiligt. «Obwohl das Zentrum keine eigenen Büros hat, sind wir über die Institute hinweg sehr gut miteinander vernetzt», sagt Bösch, der Leiter des Zentrums. «Wir haben die gemeinsame Mission, mit unseren sich ergänzenden Kompetenzen die in der Region ansässigen Unternehmen und die öffentliche Hand dabei zu unterstützen, technische Lösungen für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.» Mit dem neuen Zentrum reagiert die FHNW auch darauf, dass die Forschungsbereiche Ressourcenmanagement und Energie durch aktuelle Entwicklungen wie die Digitalisierung und die Kopplung der Sektoren Elektrizität, Wärme, Industrie und Verkehr immer mehr zusammenwachsen.

Beispiel Fräswerkzeuge

Die Analysen durch Bösch und seinen Mitarbeiter Léonard Marchand für FRAISA bestätigten, dass die Wiederaufbereitung von Werkzeugen im deutschen Werk in Willich einen positiven Effekt auf die Umwelt hat. Denn ansonsten verbraucht FRAISA für die Produktion neuer Werkzeuge Wolfram, das aus Erzen chinesischer oder österreichischer Lagerstätten energieaufwendig gewonnen wird. Die Umweltbilanz fiele noch mehr zugunsten der Wiederaufbereitung aus, wenn im Werk Willich nicht Strom mit einem hohen Anteil fossiler Energie eingesetzt würde. Daher plant FRAISA, dort auf Strom aus erneuerbaren Energien umzustellen.

«Wir haben die gemeinsame Mission, mit unseren Kompetenzen die in der Region ansässigen Unternehmen und die öffentliche Hand dabei zu unterstützen, technische Lösungen für mehr Nachhaltigkeit zu entwickeln.»
Michael Bösch, Dozent für Ressourceneffizienz und Leiter des Zentrums für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme der FHNW
Werkzeuge aus wertvollen Rohstoffen lassen sich umwelt- und klimaschonend wiederaufbereiten. (Foto: FRAISA)

Erfahrung vorhanden

Michael Bösch blickt optimistisch in die Zukunft des neuen Zentrums für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme, unter anderem, weil alle beteiligten Institute vielfältige Projekterfahrungen einbringen können. So untersuchen Forschende des Instituts für Kunststofftechnik und des Instituts für Biomasse und Ressourceneffizienz gemeinsam mit dem Start-up-Unternehmen iwas-concepts seit fast zwei Jahren, wie sich glasfaserverstärkte Kunststoffe ökonomisch lohnend recyceln lassen. Zugleich bewerten sie, wie gross das Nachhaltigkeitsplus des Recyclings ist.
Wie das gebündelte Wissen der FHNW zu Technik und Nachhaltigkeit umgesetzt werden kann, zeigt sich anhand eines Projekts zu E-Bikes. Ein Team des Instituts für Elektrische Energietechnik hat eine Station entwickelt, die gleichzeitig drei E-Bikes mit vor Ort produziertem Solarstrom aufladen kann. Unabhängig vom Stromnetz, funktioniert diese Ladestation auch nachts oder wenn das Wetter schlecht ist. Denn gebrauchte E-Bike-Batterien, von der Firma Libattion wieder funktionstüchtig gemacht, speichern den überschüssigen Strom, den die Solarpanels auf der Ladestation in sonnigen Stunden produzieren. Die Bäckereikette JOWA hat 2019 in ihrem Werk in Gränichen auf eigene Kosten eine solche Ladestation aufgestellt: Jetzt können Mitarbeitende mit E-Bikes ihr Velo während der Arbeit wieder voll aufladen. Die Betriebsdaten der Ladestation – Energieerzeugung, Energiebezug, Ströme und Spannungen – werden aufgezeichnet und können auch aus der Ferne ausgelesen werden. Das ermöglicht den Forschenden, die smarte Steuerung der Ladestation zu verbessern und so die Zeiten zum Laden der Bikes auszuweiten.

«Die Forschungskompetenz der FHNW in der Umwelt- und Energietechnik besser sichtbar machen – gegenüber Unternehmen, öffentlichen Institutionen und Förderern: Das ist das Ziel des neuen virtuellen Zentrums für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme.»
Michael Bösch, Dozent für Ressourceneffizienz und Leiter des Zentrums für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme der FHNW

Erfolgreicher Start

Obwohl das Zentrum für Cleantech und nachhaltige Energiesysteme erst wenige Wochen alt ist, gibt es schon einen ersten Erfolg zu vermelden: «Vor kurzem erhielt ich einen Anruf eines Mitarbeiters des Hightech Zentrums Aargau, der über den Webauftritt unseres neuen Zentrums auf uns aufmerksam wurde», berichtet Bösch. Er suchte nach Hochschulpartnern zur Entwicklung von Geschäftsmodellen für ein Recycling-Unternehmen. «Das erfordert wirtschaftliches und technisches Know-how, welches wir in Zusammenarbeit mit der Hochschule für Wirtschaft FHNW bieten können», sagt Bösch. «Wir sind zuversichtlich, dieses spannende Projekt mit Unterstützung des Hightech Zentrums umsetzen zu können.»

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