Putzkolonne aus dem Meer: ölfressende Bakterien
Ölteppiche verursachen ökologische Katastrophen, die bisher kaum in den Griff zu kriegen sind. Nun haben Forschende der Hochschule für Life Sciences FHNW eine Methode entwickelt, die ölfressenden Bakterien hilft, das Meer effizienter zu reinigen.
Wenn zwei Öltanker kollidieren, eine Pipeline undicht wird oder bei einem Unglück auf einer Bohrinsel können Tausende Tonnen von Rohöl ins Meer gelangen. Und jedes Mal kommt es zu schweren ökologischen Schäden. Nun haben Forschende der Hochschule für Life Sciences FHNW im Rahmen des EU-Projekts «Kill Spill» dazu beigetragen, Ölkatastrophen in Zukunft besser unter Kontrolle zu bekommen.
Mit über dreissig Partnern aus Industrie und Wissenschaft aus ganz Europa hat ein Team um Philippe Corvini vom Institut für Ecopreneurship und Patrick Shahgaldian vom Institut für Chemie und Bioanalytik neue biotechnologische Methoden entwickelt, um die Schäden zu begrenzen.
In der ersten Phase des bereits abgeschlossenen EU-Projekts wurde daran gearbeitet, die Ölteppiche besser als bisher einzudämmen oder auch feiner zu verbreiten, damit ölfressende Mikroorganismen leichter an das Öl gelangen. Die zweite Phase bestand darin, die mikrobiellen Abbauprozesse zu verbessern. In der dritten Phase wurden neue Methoden entwickelt, um die verseuchte Umwelt zu dekontaminieren.
Natürlich vorhandene Putzkolonne
Sobald Öl ins Meer gelangt, macht sich eine natürlicherweise im Meer vorkommende Putzkolonne aus Mikroorganismen ans Werk: Ölfressende Bakterien bauen die Verschmutzung ab. Das Problem: Die Mikroorganismen gelangen im Ölteppich nicht an alle Nährstoffe, die sie brauchen. Zwar bietet ihnen das Öl Kohlen- und Wasserstoff, die einen Grossteil ihres Speiseplans ausmachen. Auch an Sauerstoff gelangen sie. Doch Stickstoff und Phosphor, die Bakterien ebenfalls brauchen, sind nicht vorhanden.
Nun haben die Forschenden um Philippe Corvini Partikel entwickelt, mit denen die Nährstoffe direkt zu den Bakterien gelangen. Zwar ist die Idee, ölfressende Bakterien mit Stickstoff und Phosphor zu versorgen, nicht neu. Bisher hat man die Elemente in Pflanzenöl gelöst und von Flugzeugen aus auf Ölteppiche gesprüht. Aber diese Methode hat ihre Schwächen. Zum einen vermischt sich diese Lösung nach und nach mit dem Meereswasser und die Bakterien haben nicht lange genug Zugriff auf die Nährstoffe. Zum anderen lenkt das Pflanzenöl die Aufmerksamkeit der Bakterien vom Rohöl ab. Philippe Corvini: «Das Pflanzenöl bietet den Bakterien eine neue Quelle an Kohlenstoff, die sie im Vergleich zu Rohöl sogar bevorzugen.»
Nanopartikel versorgen die Bakterien
Dieses Problem konnte Corvini zusammen mit Patrick Shahgaldian lösen – ihre neue Methode kommt ganz ohne Öl aus. Die Nährstoffe Stickstoff und Phosphor werden in winzige Partikel aus Siliziumdioxid (SiO2) gegeben. Ein Material, aus dem auch Sand und Glas bestehen und das auch Silica genannt wird. Die Silicapartikel in der Grösse von Nanometern verfügen über viele Poren, in denen die Nährstoffe eingelagert werden.
Damit sich die Nanopartikel nicht im Meereswasser verflüchtigen, haben die Forschenden die Oberfläche der Partikel chemisch modifiziert. Es wurden sogenannte «alkane Ketten» auf der Oberfläche verankert, wodurch das Silica wasserabweisend wird. So treten die Partikel nicht ins Meereswasser aus, sondern haften am ebenfalls wasserabweisenden Ölteppich und die Nährstoffe bleiben da, wo die Bakterien sie brauchen.
Wie bereits bei der herkömmlichen Methode können die Partikel von Flugzeugen aus auf Ölteppiche gesprüht werden. Philippe Corvini betont jedoch, dass der Ölabbau auch mit Hilfe dieser Partikel Jahre dauern werde. Eine genaue Angabe, wie stark diese Methode den Abbauprozess im Vergleich zu den bisherigen Methoden verkürzen werde, sei derzeit noch nicht möglich. Erwiesen sei aber, dass die in Silicapartikeln verpackten Nährstoffe für die Bakterien besonders lange verfügbar sind. Das französische Zentrum Cedre hat fünf Produkte getestet, die den Ölabbau durch Mikroorganismen unterstützen. «Nur drei davon wurden als geeignet für einen beschleunigten Abbau von Rohöl bewertet», sagt Philippe Corvini. Seine Partikel gehörten zu diesen drei. «Und es hat sich sogar gezeigt, dass sie das Vorkommen besonders erwünschter Bakterien für den Ölabbau fördern,», ergänzt er stolz.
Entwicklung geht weiter
Allerdings haben die neuen Partikel auch eine Schwachstelle, wie Corvini einräumt: Sie sind momentan so stark wasserabweisend, dass sie zum Teil mit dem Rohöl Aggregate bilden und dann sedimentieren. Klumpen aus Silicapartikeln und Rohöl sinken dann tief hinab ins Meer. Laut Philippe Corvini kann noch nicht abgeschätzt werden, wie sich diese Klumpen langfristig verhalten. Klar sei, dass der Abbauprozess im tiefen Meer noch langsamer vonstattengehe, weil dort die Temperatur tief und wenig Sauerstoff verfügbar ist. Die Forschung wird also weitergehen. Und Philippe Corvini kann sich vorstellen, irgendwann einmal ein Spin-off zu gründen, um die Silicapartikel im Kampf gegen Ölkatastrophen einzusetzen.