27. März 2018

Schweizer Erfindung fliegt zur Sonne

Wenn sich Anfang 2020 der Satellit «Solar Orbiter» auf den Weg zur Sonne macht, um diese genauer zu erforschen, wird mit dem Röntgenteleskop STIX auch ein Projekt der FHNW auf die Reise gehen.

In einem Labor der Hochschule für Technik FHNW in Brugg-Windisch trennt ein dicker Plastikvorhang einen Teil des Raumes ab, ein Schild verbietet unbefugtes Eintreten. Die Szene hinter dem Vorhang erinnert an einen Operationssaal: Zwei Männer, von Kopf bis Fuss in Weiss gekleidet, mit Mundschutz und Haarnetz, stehen über einen Tisch gebeugt und arbeiten konzentriert an dem, was vor ihnen liegt. Nur ist dies kein menschlicher Körper, sondern ein Bestandteil von STIX. STIX steht für Spectrometer/Telescope for imaging X-rays und ist ein Teleskop, das die Röntgenstrahlen der Sonne untersuchen soll, um mehr herauszufinden über Eruptionen in der Sonnenkorona, also der Atmosphäre der Sonne. Zusammen mit neun weiteren Experimenten wird sich STIX voraussichtlich 2020 mit dem Satelliten «Solar Orbiter» der European Space Agency (ESA) auf den Weg zur Sonne machen (siehe Box). 

Die beiden Männer in Weiss sind Hans-Peter Gröbelbauer und Stefan Kögl. Gröbelbauer ist als Dozent und Forscher an der FHNW tätig, Kögl arbeitet als selbstständiger Raumfahrtingenieur an dem Projekt mit. Die beiden Forscher gehören zum Team von Säm Krucker, Wissenschaftler an der FHNW und an der University of California in Berkeley. Er hat die Idee für das Röntgenteleskop bereits 2002 entwickelt, die nun Teil eines umfassenden multidisziplinären Forschungsbereiches an der FHNW ist. Seit 2010 wird in Brugg-Windisch geplant, gerechnet und getestet. Auch das Zusammenbauen der Teile, die von verschiedenen Firmen in Europa und der Schweiz gefertigt wurden, übernahm das rund 15-köpfige Team in Brugg-Windisch. «STIX ist eines der grössten Projekte, das die FHNW jemals realisiert hat», sagt Stefan Kögl. 

Die 32 Sensoren auf der Detektorplatte messen die Röntgenstrahlung der Sonne und können frühzeitig registrieren, wenn auf der Sonne eine Eruption stattfindet.

Röntgenstrahlen der Sonne abbilden

Röntgenstrahlen können nicht mit einer normalen Glaslinse abgebildet werden – sie würden diese bloss durchdringen. Deshalb machen sich die Forschenden den sogenannten Moiré-Effekt zu Nutzen: Legt man zwei feine Gitter übereinander, entstehen je nach Winkel, in dem man durch sie hindurchschaut, neue Muster. Auch STIX besteht aus zwei Sätzen von Gittern aus dem Metall Wolfram, die im Abstand von etwa einem halben Meter montiert sind. Durch ein Fenster im Hitzeschild, das den ganzen Satelliten schützt, fallen die Röntgenstrahlen der Sonne auf diese beiden Gitter, Imager genannt. Hinter dem zweiten Gitter ist eine Detektorplatte mit 32 Sensoren befestigt. Diese können anhand des Musters, das die Gitter erzeugen, erkennen, aus welcher Richtung die Strahlung kommt. Weil Röntgenstrahlenmessungen ausserordentlich empfindlich sind, wird STIX auf dem Solar Orbiter als Erstes registrieren, wenn auf der Sonne eine Eruption stattfindet. Das Gerät kann dann die anderen neun Experimente informieren, sodass sich diese auf die Eruption fokussieren können.

Fehler können teuer werden

Die sogenannte Flight Unit von STIX, die auf dem Satelliten die Sonne umrunden wird, haben die Forschenden bereits im Sommer 2017 nach England an die ESA ausgeliefert. Dort werden alle Geräte montiert. Zudem führt die ESA nochmals eine Reihe von Tests durch, um sicherzustellen, dass keines der Experimente ein Risiko für den Satelliten darstellt. Ansonsten würde ein problematisches Instrument von der Mission ausgeschlossen werden. Deshalb steht das Team in Brugg-Windisch zurzeit stets bereit, um auf Fragen und Probleme so schnell wie möglich reagieren zu können. Gleichzeitig bauen sie eine fast identische Kopie von STIX, die sogenannte Ground Unit. Diese wird am Boden bleiben, im Labor der FHNW. «Falls auf der Flight Unit unterwegs Probleme auftreten oder Schäden entstehen, kann das Team diese auf der Ground Unit simulieren und bestenfalls mit einem Software-Update beheben», erklärt Stefan Kögl. Beim Bau der Ground Unit gehen Kögl und Gröbelbauer mit der gleichen Vorsicht und Präzision vor, wie schon bei der Flight Unit. Sie dokumentieren jedes noch so kleine Teil, das sie verbauen und halten sogar fest, an welchem Tag welcher Klebstoff verwendet wurde. Auch eine ruhige Hand ist gefragt beim Verbauen der Teile, die mehrere Tausend Franken wert sind. «Dessen müssen wir uns beim Bau jedes Arbeitsschrittes bewusst sein und dürfen keine überstürzten Entscheidungen treffen», so Hans-Peter Gröbelbauer. «Sonst kann es schnell sehr teuer werden.»

Ist der «Solar Orbiter» mit STIX an Bord erst mal gestartet, wird er rund anderthalb Jahre in Richtung Sonne unterwegs sein, bis die wissenschaftlichen Beobachtungen werden beginnen können.

Solar Orbiter

Der «Solar Orbiter» ist ein Satellit, den die ESA für eine siebenjährige Mission ins All schicken will, um die Sonne genauer zu erforschen. Zu diesem Zweck sind neben STIX auf dem Satelliten neun weitere Messgeräte montiert, welche die Atmosphäre und Oberfläche der Sonne untersuchen sollen. Der «Solar Orbiter» wird sich bis auf 45 Millionen Kilometer der Sonne nähern – das ist rund ein Viertel des Abstandes zwischen Erde und Sonne – und muss dabei Temperaturen bis zu 500 Grad Celsius aushalten. Beim Start wird der Satellit stolze 1.8 Tonnen auf die Waage bringen. Die Gesamtkosten der Mission betragen über eine Milliarde Dollar. 

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