Uta Milow, Dozentin für Volkswirtschaftslehre und Entrepreneurship an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. (Bild: FHNW)
23. März 2021

«Viele denken bei Nachhaltigkeit zuerst an Ökologie»

Mit dem Unternehmenswettbewerb Swiss Innovation Challenge unterstützt die Hochschule für Wirtschaft FHNW seit 2014 Unternehmen in ihrer Weiterentwicklung. Es geht um innovative Produkte, moderne Serviceleistungen oder optimierte interne Abläufe. Doch reicht das, um als Unternehmen langfristig Erfolg zu haben? Die Ökonomin Uta Milow sagt nein. Bei der Swiss Innovation Challenge untersucht sie, wie nachhaltig die Teilnehmenden aufgestellt sind.

Frau Milow, Sie beschäftigen sich mit Sustainable Entrepreneurship. Was ist das?

Beim Sustainable Entrepreneurship geht es darum, ob ein Unternehmen nachhaltig ist, respektive wie nachhaltig seine Produkte oder Dienstleistungen sind.

Also kurz, wie ökologisch oder «grün» ein Unternehmen wirtschaftet?

Das wäre zu wenig. Ökologie ist nur ein Teil der Nachhaltigkeit. In der Wissenschaft gibt es den Konsens, dass Nachhaltigkeit aus drei Säulen besteht: Ökonomie, Ökologie und Soziales. Das heisst, es müssen neben den ökonomischen Kriterien auch soziale und/oder ökologische Aspekte berücksichtigt werden. Es geht heute nicht mehr ausschliesslich um Profitorientierung, sondern um ethische Motive wie Verantwortung für Gesellschaft und Umwelt.

Wann ist ein Projekt oder Unternehmen ökonomisch nachhaltig?

Sobald ein Unternehmen für sich wirtschaftlich erfolgreich ist, leistet es einen Beitrag zur Gesellschaft und ist ökonomisch nachhaltig. Denn es schafft Arbeitsplätze und Einkommen. Die ökonomische Säule ist also schnell beschrieben. Damit ein Unternehmen aber als nachhaltig gelten kann, muss es mindestens noch die Vorgaben einer weiteren Säule erfüllen.

Was gilt noch als nachhaltig?

Im Bereich der Ökologie kann das eine Reduktion der Umweltverschmutzung oder des Kohlendioxid-Austosses sein. Oder ein Beitrag zur Erhaltung der Artenvielfalt. Im Bereich Soziales gehören dazu beispielsweise Inklusion, Armutsvermeidung, fairer Umgang mit Mitarbeitenden, gerechte Entlöhnung, Entwicklungszusammenarbeit. Es gibt viele Beispiele.

«Wer ein Unternehmen gründen will, sollte bei jedem Schritt der Gründung Nachhaltigkeit als Faktor miteinbeziehen.»
Uta Milow, Institut für Unternehmensführung der Hochschule für Wirtschaft FHNW
Im Rahmen der Swiss Innovation Challenge untersuchen Sie mit Ihrem Team das Sustainable Entrepreneurship der Teilnehmenden. Worum geht es da?

Wir wollen herausfinden, ob die Entrepreneure bereits ein Bewusstsein für Nachhaltigkeit entwickelt haben, ob es in ihren Innovationsprojekten eine Rolle spielt und wie der Nachhaltigkeitsaspekt stärker gefördert werden kann. Dafür fragen wir zunächst alle Teilnehmenden, die es bis zur zweiten Runde der Swiss Innovation Challenge geschafft haben, für ein Interview an. An unserer Pilotphase 2019 haben 35 Teilnehmende mitgemacht, vergangenes Jahr wegen der Corona-Pandemie etwas weniger.

Worauf legen Sie beim Interview besonderen Wert?

Um die Informationen wissenschaftlich auswerten zu können, haben wir einen standardisierten Fragebogen und eine Checkliste erarbeitet. Neben allgemeinen Fragen interessiert uns das Unternehmenskonzept und wir schauen, ob bereits ein Nachhaltigkeitsmanagement vorhanden ist. Im letzten Teil geht es dann um das Produkt oder die Dienstleistung und wie nachhaltig diese sind. Für die Bewertung orientieren wir uns stark an den drei Säulen der Nachhaltigkeit.

Entrepreneur beim Pitch an der Swiss Innovation Challenge 2020 (Bild: Wirtschaftskammer Baselland)
Gibt es schon erste Ergebnisse?

Die Teilnehmenden lassen sich in zwei Gruppen einteilen. Einige Entrepreneure verfolgen bereits eine Geschäftsidee, die vorrangig einen ökologischen oder sozialen Beweggrund hat, wie zum Beispiel help2type. Das Unternehmen hat eine haptische Smartphonetastatur für blinde und sehbehinderte Menschen entwickelt. Diese Gruppe hat sich für uns Forschende nicht als Fokus herausgestellt – dieser liegt bei der zweiten Gruppe: Den Gründerinnen und Gründern, die mit einer Idee ein Problem lösen und damit Geld verdienen wollen, und Nachhaltigkeit zunächst gar nicht, wenig oder nur am Rande im Blick haben.

Weshalb sind diese «normalen» Geschäftsideen spannender?

Hier können wir die Entrepreneure auf das Thema Nachhaltigkeit sensibilisieren und ihnen Coachings und Unterlagen dazu anbieten. Am Ende des Projekts werden wir dann sehen, ob unsere Interventionen dazu geführt haben, dass die Gründenden mehr für die Nachhaltigkeit getan haben. Um das zu messen, werden wir im Herbst 2021 nochmals eine Befragung durchführen.

Was motiviert Unternehmer*innen, ihre Geschäftsidee oder ihr Unternehmen nachhaltiger zu gestalten?

Eine Erkenntnis aus unserem Projekt war, dass gerade Gründerinnen und Gründer, deren Firma noch ganz am Anfang steht oder die gerade daran sind, Gelder zu beschaffen, proaktiv auf uns zugehen und das Coaching nutzen. Sie merken, dass Banken und Institutionen inzwischen mehr auf Nachhaltigkeit schauen und es auch Fördertöpfe für nachhaltige Unternehmen gibt.

Wie geht es in Zukunft weiter?

Mit dieser Begleitforschung zur Swiss Innovation Challenge werden wir auf jeden Fall weitermachen, weil es immer interessanter wird, je mehr Jahrgänge wir haben. Zudem hat sich gezeigt, dass es Bedarf gibt, um eine nachhaltigkeitsbezogene Finanzierungsberatung anzubieten. Wir wollen den Gründerinnen und Gründern helfen, an diese Fördertöpfe und Unterstützung der Institutionen zu kommen und ihr Unternehmen nachhaltig zu gestalten.

«Nachhaltigkeit sollte der Kern eines jeden Unternehmens sein. Während unseres Coachings haben wir neue Erkenntnisse gewonnen, die für unser Unternehmen sehr anwendbar und wertvoll sind. Ich habe auf jeden Fall viel über Nachhaltigkeit gelernt und dies auch mit meinen Teamkollegen besprochen.»
Özge Karakas, Chief Operating Officer und Mitbegründerin des KMUs Hi-D Imaging AG, Finalistin der Swiss Innovation Challenge 2020

Die Swiss Innovation Challenge

Die Swiss Innovation Challenge ist ein Förderprogramm mit Wettbewerb, bei dem aus rund 150 Innovationsprojekten im Rahmen dreier Pitches 25 Finalisten und drei Sieger bestimmt werden. Am Wettbewerb, der über acht Monate läuft, nehmen KMU und Startups aus der ganzen Schweiz teil. Während dieser Zeit können die Teilnehmenden kostenlose Seminare besuchen. Zudem haben sie Zugang zu Mentoring- und Coaching-Programmen, bei denen sie mit praxisnahem Wissen unterstützt und gefördert werden.
Die Swiss Innovation Challenge wurde 2014 von der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW, der Wirtschaftskammer Baselland sowie der Basellandschaftlichen Kantonalbank ins Leben gerufen.

Vorheriger / nächster Beitrag dieser Ausgabe
×