Radiowellenaufnahme des MeerKAT-Teleskops, das Supernova-Überreste, kompakte Sternentstehungsgebiete und geheimnisvolle Filamente vom Zentrum unserer Galaxie zeigt. © Khulu Phasiwe, NRF SARAO.

Wenn Supercomputer das Universum lesen

Das SKAO, das grösste Radioteleskop der Welt, soll das Universum Bit für Bit erfassen. Die dabei entstehenden Datenmengen wären ohne Hochleistungsrechnen unbeherrschbar. Über das Institut für Data Science bringt die FHNW Schweizer Rechenpower in das globale Projekt ein.

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Was passiert, wenn Rechenleistung auf Galaxien trifft? In den Wüsten Südafrikas und Australiens entsteht das Square Kilometre Array Observatory (SKAO) – ein Netzwerk aus Tausenden Radioteleskopen, das tiefer ins All blickt als jedes Instrument zuvor. Milliarden Signale aus den Tiefen des Universums werden gebündelt und in wissenschaftliche Erkenntnisse verwandelt. Dafür braucht es Supercomputer, künstliche Intelligenz (KI) – und Menschen, die Wissen aus Daten formen.

Rechenpower für den Kosmos

Stellen Sie sich vor, Sie müssten sich heute alle Daten auf Ihrem Laptop merken. Das grösste Radioteleskop der Welt, das SKAO, sendet täglich 2 Petabyte an Daten aus dem Universum zurück auf die Erde. Das entspricht 2000 Laptops mit gewöhnlicher Speicherkapazität. Eine unfassbare Menge an Daten, die sich kein normaler Computer, geschweige denn ein Mensch merken kann.

Das Institut für Data Science der Hochschule für Informatik FHNW entwickelt mit Partnern aus der ganzen Welt die dazu benötigte Technologie. Fundament ist ein wissenschaftliches Netzwerk aus Hochleistungsrechnern, auch bekannt als Cluster, das die Daten aus den beiden Teleskopstandorten in den Wüsten holt und zu den Forschenden bringt. Tausende Prozessoren arbeiten parallel, um die gigantischen Datenmengen extrem schnell zu verarbeiten. Das Hochleistungsrechnen (High Performance Computing, HPC) fungiert dabei als Infrastruktur, Algorithmen strukturieren die Daten, und KI-Modelle steigern die wissenschaftliche Ausbeute. In der Schweiz betreibt das Swiss National Supercomputing Centre (CSCS) eine solche Hochleistungsrechenanlage. Die FHNW nutzt eine Miniversion dieser Maschine, um Entwicklung, Tests und Evaluationen des Projekts zu unterstützen.

Schweizer Supercomputer ALPS in Halle am Standort Lugano. © Matteo Aroldi, CSCS.
Die FHNW arbeitet zusammen mit dem grössten Schweizer Supercomputer ALPS, der sich am Swiss National Supercomputing Centre (CSCS) in Lugano befindet. © Matteo Aroldi, CSCS.

Teleskop: Mittel zum Zweck?

Das SKAO-Projekt soll einige der grössten Fragen der Astrophysik beantworten: Was passierte unmittelbar nach dem Urknall, wie entstanden Galaxien und Sterne, und wie funktionieren schwarze Löcher? Wie weit lässt sich Einsteins Relativitätstheorie im Universum bestätigen? Und könnten irgendwo im All andere Zivilisationen auf ähnliche Radiosignale wie wir auf der Erde lauschen?

Doch während die Antennen ins All blicken, bringt die Technologie dahinter konkreten Nutzen auf die Erde. Die FHNW selbst forscht weniger an den grossen Fragen der Astrophysik – dafür sind ihre Partner aus dem ETH-Bereich und den Universitäten zuständig. Ihr Beitrag liegt in der Informatik: Das Know-how aus Hochleistungsrechnen und KI kann künftig Innovationen in Medizin, Energie und Luftfahrt beschleunigen. Ob für smarte Energienetze, moderne Krebstherapie oder sicherere Flugzeuge. Mit den erforschten Technologien aus dem Radioteleskopprojekt will die FHNW künftig auch lokale Industriepartner unterstützen.

Wüste mit mehreren angeordneten Satelliten respektive Teleskop-Antennen.
Die Teleskop-Antennen befinden sich in abgelegenen Wüstenzonen, um Störquellen – sogenannte Radiofrequenzinterferenzen – fernzuhalten.

«Damit solche gewaltigen Datenströme überhaupt verarbeitet werden können, entwickeln wir einen digitalen Zwilling der Datenpipeline», erklärt Prof. Dr. André Csillaghy, Leiter des Instituts für Data Science und SKAO-Projektverantwortlicher an der FHNW. «In anderen Worten: Es handelt sich dabei um eine automatisierte Verarbeitungskette, die mit synthetischen Datensätzen den Fluss astronomischer Daten simuliert.»

Klingt komplex, hat aber einen klaren Zweck: Noch bevor das Radioteleskop in Betrieb geht, lässt sich prüfen, ob die Systeme zuverlässig funktionieren. Die Schweiz ist seit 2022 Vollmitglied im SKAO, doch der offizielle Start der Inbetriebnahme ist erst für 2029 vorgesehen.

Die Beteiligung am grössten Astronomieprojekt der Welt ist für die FHNW eine Riesenchance, mit an der Spitze der weltweit rechenintensivsten Technologieentwicklungen zu forschen. Nebst grossem Lernpotenzial durch die anderen Teilnehmenden stärkt das Projekt auch die internationale Sichtbarkeit der FHNW.

Auch politisch wurde dies gewürdigt: Beim G20-Gipfel in Johannesburg besuchte Martina Hirayama, Direktorin des Staatssekretariats für Bildung, Forschung und Innovation (SBFI), einen der südafrikanischen SKAO-Standorte. Das SBFI unterstützt das Projekt gemeinsam mit rund zehn weiteren Schweizer Hochschulen und Forschungsinstituten.

Prof. Dr. André Csillaghy, Leiter Institut für Data Science an der HSI/FHNW
«Unser Auftrag ist der Technologietransfer. Das Teleskopprojekt ist fast ein bisschen ein Vorwand, um unser Know-how über Hochleistungsrechnen und KI-Modelle weiter auszubauen. Wissen, das später in sehr konkrete Anwendungen für die Gesellschaft und die Wirtschaft fliessen soll.»
Prof. Dr. André Csillaghy, Leiter Institut für Data Science an der HSI FHNW (Foto: FHNW)

HPC als Schlüsseltechnologie

Mit den Hochleistungsrechnern des Instituts für Data Science betreibt die FHNW eine Infrastruktur, die Forschung und Industrieprojekte zuverlässig unterstützt – auch für rechenintensive AI-Experimente und Simulationen im grossen Stil. Mehr dazu.