Trinational dem Klimawandel begegnen
Die Klimaerwärmung macht vor Grenzen nicht halt. Deshalb haben Forschende aus der Oberrheinregion – Frankreich, Deutschland und der Schweiz – im Projekt Clim’Ability Design gemeinsam erarbeitet, wie sich Unternehmen der Region bestmöglich anpassen und auf künftige Veränderungen vorbereiten können. Ein Team der Fachhochschule Nordwestschweiz FHNW konzentrierte sich dabei auf die nachhaltige Entwicklung des Basler Klybeck-Areals und des Rheinhafens Birsfelden im Kanton Basel-Landschaft.
So viele Sommertage mit Tageshöchsttemperaturen von über 25 Grad Celsius wie in diesem Jahr gab es im September in Basel nur einmal seit Beginn der Wetteraufzeichnungen – und zwar 1947. Es waren 21 Tage – gegenüber sieben im langjährigen Mittel. Nur ein Ausreisser, eine Wetterkapriole? Eher wohl die Bestätigung eines Trends und der Vorbote des Klimawandels. Im Herbst erhöhte sich die Temperatur an der Messtation Basel-Binningen in den letzten drei Jahrzehnten durchschnittlich pro Dekade jeweils um ein halbes Grad. Zugleich ging der Niederschlag im Herbst und im Sommer zurück, während Winter und Frühling feuchter wurden. Alle Klimamodelle sagen voraus, dass die Veränderungen zunehmen – mit noch mehr Tropennächten, Starkregen und schneeärmeren Wintern.
Grenzüberschreitende Herausforderung
«Der Klimawandel wirkt sich auf die Geschäftsmodelle von Unternehmen in der Oberrheinregion aus. Und da geht es nicht nur um die Agrarwirtschaft und Skiliftbetreiber, sondern beispielsweise auch um die Logistikbranche oder das Baugewerbe», sagt Tina Haisch, Leiterin des Schwerpunkts Innovation und Raum an der Hochschule für Wirtschaft FHNW. «Zudem beeinflusst der Klimawandel das Wohlbefinden und die Leistungsfähigkeit der Mitarbeitenden in nahezu allen Unternehmen». Da die drei Länder in der Oberrheinregion unter anderem über den Güterverkehr oder das Pendeln von Arbeitskräften eng miteinander verflochten sind, liegt es nahe, gemeinsam an Lösungen für die Herausforderungen durch den Klimawandel zu arbeiten. Genau das haben rund 30 Partner aus deutschen, französischen und eidgenössischen Universitäten, Hochschulen und Institutionen seit 2019 im Projekt Clim’Ability Design getan. Die EU förderte es in ihrem Interreg-Programm, mit dem sie grenzüberschreitende Kooperationen mit Bedeutung für das tägliche Leben in den beteiligten Regionen und Städten unterstützt.
Industrieareale sind Wärmeinseln
«Wir haben in diesem Projekt die Entwicklung des Klybeck-Areals, der einstigen Wiege der Basler Chemie, und des Rheinhafens Birsfelden begleitet», berichtet Haisch. Grundeigentümer des Klybeck-Areals in Kleinbasel sind der Versicherungskonzern Swiss Life und die Immobilienentwicklerin Rhystadt AG. Zusammen mit dem Kanton Basel-Stadt wollen sie das Industriegebiet bis 2040 auf einer Fläche von rund 160 000 Quadratmetern in einen vielseitigen und durchmischten Wohn-, Arbeits- und Lebensraum umwandeln. Für den Hafen Birsfelden haben der Kanton Basel-Landschaft, die Gemeinde Birsfelden und die Schweizerischen Rheinhäfen 2022 das Zukunftsbild eines nachhaltigen, innovativen und sicheren Logistik- und Produktionsquartiers entworfen. Dieses soll neben den Hafenanlagen Schritt für Schritt bis 2050 auf einer Fläche von etwa 90 Fussballfeldern entstehen.Beide Areale sind sogenannte Wärmeinseln: lokale Gebiete, die vor allem nachts deutlich wärmer sind als die Umgebung, verursacht hauptsächlich durch viele versiegelte Beton- und Asphaltflächen sowie wenige Pflanzen.
«Für beide Areale haben wir Massnahmen zur Klimaanpassung erarbeitet und vorgeschlagen», berichtet Haisch. Sie gingen über die bereits existierenden Planungen hinaus. So empfahlen Haisch und ihr Team unter anderem, grosse versiegelte Flächen durch faltbare Solardächer zu beschatten, höhere Neubauten in Längsrichtung zur Hauptwindrichtung zu orientieren, Dächer und Fassaden zu begrünen sowie im Klybeck-Areal offenliegende Wasserkanäle zwischen Rhein und Wiese anzulegen. «Wir haben unsere Vorschläge insbesondere in das Planungsverfahren für den Hafen Birsfelden und teilweise auch in jenes für das Klybeck-Areal einbringen können», so Haisch.
Unternehmen engagieren sich
Das Team der FHNW moderierte Workshops mit Unternehmensvertreter*innen im Hafengebiet, um gemeinsam Vorschläge zum Thema Klimaanpassung zu erarbeiten. Aus den Treffen heraus entstand unter anderem die Idee, grüne und beschattete Freiräume im Areal zu schaffen, die als «Shared Spaces» (engl.: geteilte Räume) von den Mitarbeitenden verschiedener Unternehmen für Pausen und zur Erholung genutzt werden können. Die Teilnehmenden sprachen auch über Mobilitätskonzepte mit dem Ziel, dass Mitarbeitende möglichst nicht mit dem Auto in das Areal hineinfahren.
«Es ist uns gelungen, Planer*innen und Unternehmen in den Arealen für die Themen Klimaanpassung und Klimamitigation zu sensibilisieren», freut sich Haisch. Mitigation beinhaltet Schritte, die die Ursachen des Klimawandels abschwächen sollen, also die den Ausstoss von Treibhausgasen verringern. So sammelte das Clim`Ability-Design-Team auch Ideen für die nachhaltige Energiegewinnung im Klybeck-Areal.
Trinationaler Austausch
Von den Erfahrungen, die das Team um Haisch bei der Arealentwicklung gesammelt hat, profitierten unter anderem die französischen Partner, die etwa beim Hafen Strasbourg vor ähnlichen Aufgaben stehen. «Da geht es auch um Fragen der Governance, also der Steuerungsstrukturen», sagt Haisch. «Wer muss mit wem zusammenarbeiten oder braucht es gar neue Institutionen, um eine klimaangepasste Arealentwicklung umzusetzen?» Zudem konnte ihr Team auch eine Entwicklung des Umweltmeteorologen Andreas Christen und seiner Mitarbeitenden an der deutschen Universität Freiburg nutzen: Kleine Geräte, MoBiMet genannt, messen Hitzestress und Wärmekomfort an verschiedenen Arbeitsplätzen.
Kein Happy End
Für Haisch und andere Forschende in der Schweiz ist es wichtig, aus erster Hand und frühzeitig zu erfahren, welche Lösungen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in anderen Ländern hinsichtlich des Klimawandels erarbeiten – und sich auch daran zu beteiligen. Doch daraus wird erst einmal nichts. Denn die weitere Zusammenarbeit im Interreg-Folgeprojekt «Clim’Ability Care» mit den Partner-Institutionen am Oberrhein wird aufgrund fehlender kantonaler Unterstützung nicht mehr fortgeführt – und das, obwohl von der EU die Gelder für dieses nächste Forschungsprojekt bereits bewilligt wurden. Die Forscherin Haisch sagt dazu: «Unsere Arbeitsgruppe an der FHNW und zirka 30 andere Forschungseinrichtungen haben mehrere Jahre an diesem Projekt gearbeitet. Es ist traurig zu sehen, wie diese aufwändige Forschungsarbeit einfach gestoppt wird. Somit haben weder die beteiligten Schweizer KMUs noch unsere Region Oberrhein noch der Forschungsplatz Schweiz etwas davon. Unsere Region ist ökonomisch und politisch sehr stark vernetzt. Diese Vernetzung ist auch für die Forschung wichtig. Nur so können wir die regionalen Effekte des Klimawandels bei uns angehen. Der Klimawandel macht nicht an Grenzen halt.»