In der Schauwerkstatt findet unter anderem Unterricht mit Studierenden statt. Gestaltet wurde der Raum von einer Absolventin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. (Foto: Susanna Drescher)
24. März 2020

Unterricht im Schaufenster

Im Herbst 2019 hat die Musik-Akademie Basel/Hochschule für Musik FHNW ihre neue Schauwerkstatt eingeweiht. Von Unterricht bis Instrumentenbau bietet sie dort Einblicke in ihre vielseitigen Aktivitäten und ermöglicht Passantinnen und Passanten einen Blick hinter die Kulissen. Ein Interview mit Kathrin Menzel aus der Umbau-Projektleitung und Johannes Keller, Dozent, Forscher und künstlerischer Leiter des Veranstaltungskonzepts in der Schauwerkstatt.

Herr Keller Unterricht im Schaufenster – wie fühlt man sich da?

Johannes Keller*: Unsere Studierenden fühlten sich am Anfang schon etwas ausgestellt. Das Üben auf einem Instrument ist etwas Intimes. Manchmal sieht man dabei seltsam aus. Doch man gewöhnt sich schnell an die Zuschauer. Und im Notfall kann man die Vorhänge zuziehen.

Wie sind Sie auf die Idee der Schauwerkstatt gekommen?

Kathrin Menzel*: Zuerst einmal aus ganz praktischen Gründen: Die Musik-Akademie Basel und die Hochschule für Musik FHNW konnten in das Haus des ehemaligen Pianogeschäfts Eckenstein einziehen. Die oberen Räume belegt jetzt die Verwaltung, damit wir in unserem Haupthaus wertvolle Musikräume, die über längere Perioden als Büros genutzt wurden, wieder der Musiknutzung zuführen konnten. Nun standen wir vor der Frage, ob und allenfalls wie wir das Schaufenster nutzen könnten. Anfangs schien es uns eher ungeeignet für unsere Bedürfnisse. Doch dann hat die räumliche Situation einen spannenden Prozess ausgelöst.

«Die Zuschauer blicken sozusagen in die Küche der Kunst.»
Johannes Keller, Hochschule für Musik FHNW
Wie sah dieser Prozess aus?

J.K.: Im Fall des Musizierens beispielsweise bekommt das Publikum normalerweise nur das Endprodukt zu Gesicht: Wenn die Musikerinnen und Musiker auf der Bühne stehen und alles perfekt klappt. Bei uns bekommen die Passantinnen und Passanten einen Eindruck davon, welch intensive Arbeit – auch handwerklich an den Instrumenten – hinter einem Konzert steckt. Wie viel Enthusiasmus und Leidenschaft es braucht, aber auch wie viel Ausprobieren und Scheitern dazugehören. Die Zuschauer blicken sozusagen in die Küche der Kunst.

K.M.: Zudem ist uns bewusst geworden, dass an der Musik-Akademie Basel und den Instituten der Hochschule für Musik so viele spannenden Aktivität hinter verschlossenen Türen stattfinden. Nun können Interessierte sehen, wenn zum Beispiel bei einem Kontrabass neue Saiten aufgezogen werden oder ein Instrumentenbauer eine Geige repariert. Mittlerweile finden viele Anlässe, bei denen es etwas zu sehen gibt, hier statt: Etwa eine Blockflötenausstellung, Arbeiten mit besonderen Instrumenten oder praktische Workshops wie der Kurs für Rohrblattbau, bei dem man Mundstücke für Blasinstrumente wie die Oboe oder das Fagott aus Schilfrohr schnitzt. Im Schaufenster arbeiten Instrumentenbauerinnen, Musiker und Forschende mit den Studierenden zusammen am Musikinstrument. Ein Blickfang ist auch die Arciorgano, die hier fest stationiert ist.

Johannes Keller ist Dozent, Forscher und künstlerischer Leiter des Veranstaltungskonzepts in der Schauwerkstatt. (Foto: Susanna Drescher)
Was ist das für ein Instrument?

J.K.: Es handelt sich um ein Einzelstück, das wir im Rahmen des KTI-Forschungsprojekts «Studio31+» einer historischen Orgel aus dem 16. Jahrhundert folgend nachgebaut haben. Mit seiner vieltönigen Tastatur, also 36 Tasten pro Oktave, ist das Instrument mit anderen Musikkulturen kompatibel – etwa mit der serbischen. Im Januar habe ich unsere Arciorgano an der Basler Museumsnacht präsentiert. Interessierte konnten sie selber spielen oder sie über ein Computerprogramm mittels Selbstspieler bedienen.

Stösst das Schaufenster bei den Passantinnen und Passanten auf Interesse?

J.K.: Ja, immer wieder interessieren sich Menschen, die zufällig vorbeikommen, dafür, was hier passiert. Ich bin oft in der Nacht hier, weil ich im Rahmen des SNF-Projektes «Vicentino21» für meine Doktorarbeit über die Arciorgano forsche. Ich untersuche ihren historischen Kontext. Wenn Leute von aussen hereinschauen, lade ich sie manchmal ein, hereinzukommen. So ergeben sich oft nette Begegnungen.

Von der Strasse her hört man die Musik aber nicht

K.M.: Nein, bei normaler Lautstärke nicht. Damit wir hier arbeiten und proben können, mussten wir Schallschutzfenster einbauen. Denn das Tram ist sehr laut. Dank Drittmitteln konnten wir den Raum nach unseren Bedürfnissen umbauen.

Worauf haben Sie dabei neben dem Schallschutz geachtet?

K.M.: Wir haben den Auftrag an die Innenarchitektin Alisa Knechtli vergeben, eine ehemalige Studentin der Hochschule für Gestaltung und Kunst FHNW. Sie hat auch diesen speziellen Tisch geschaffen, der hier im Zentrum des Raums steht. Er kann mit einer Kurbel ein- oder ausgerollt werden und somit je nach Gruppengrösse verkleinert oder vergrössert werden. Auch die aufstellbaren Einzeltische und die grosse Wandtafel sind praktisch. Wir fühlen uns sehr wohl hier.

«Dieser offene Raum wird selber zum Bühnenbild. Und für uns ist er das Fenster zur Stadt.»
Kathrin Menzel, Hochschule für Musik FHNW 
Sie halten auch Vorlesungen hier. Wie geht das in einem Raum, der mehr einem Sitzungszimmer gleicht als einem Vorlesungssaal?

J.K.: In unseren Kursen sind nicht hunderte von Studierenden., sondern oft nur zehn bis 20. Und wir halten auch kaum Frontalunterricht ab, sondern sitzen am Tisch zusammen, diskutieren und probieren vieles gleich mit unseren Instrumenten aus.

Was sind Ihre nächsten Pläne in diesem Raum?

J.K.: Im Frühling beginnt eine kleine Konzertreihe, bei der Ensembles aus der Hochschule für Musik Gelegenheit erhalten, ihr Können zu zeigen. Die Musikstile werden sehr unterschiedlich sein: Von Mittelalter über Renaissance bis zu zeitgenössisch und elektronisch ist alles möglich. Auch hier wieder wollen wir dem Publikum einen Einblick in den Entstehungsprozess gewähren und Experimente zulassen.

K.M.: Dieser offene Raum mit seiner stimmungsvollen Lichtgestaltung wird somit selber zum Bühnenbild – wie in einem Musiktheater. Und für uns wiederum ist er das Fenster zur Stadt.

Johannes Keller ist Cembalist, Forschungsprojektmitarbeiter und Dozent für Historische Stimmungen an der Hochschule für Musik FHNW/Schola Cantorum Basiliensis.

Kathrin Menzel ist Musikwissenschaftlerin und Dozentin für Instrumentenkunde an der Hochschule für Musik FHNW / Institut Klassik und der Schola Cantorum Basiliensis. Zudem kuratiert sie die Sammlung für historische Musikinstrumente.

Vorheriger / nächster Beitrag dieser Ausgabe
×